„Taferlkunde“

„Als Taferl wird“ – laut Wikipedia – „in Österreich eine kleine Tafel bezeichnet, die von Politikern während Reden oder in Fernsehinterviews zur Untermauerung ihrer Argumente aufgestellt wird. Es zeigt meist Diagramme, politische Parolen oder Zeitungsausschnitte“. Erfunden hat dieses Hilfsmittel, zumindest für die Alpenrepublik, Jörg Haider, der frühere Parteichef der rechten „Freiheitlichen Partei Österreichs“. Am 21. September 1994, um zirka 22 Uhr 50, zog Haider im Rahmen des vom ORF live gesendeten Wahlkampf-TV-Duells mit dem damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky mit den Worten „Ich zeige Ihnen jetzt etwas“ ein Schild heraus, auf dem die sehr hohen Aktiv- und Pensionsbezüge eines Kammeramtsdirektors einer österreichischen Arbeiterkammer aufgelistet waren. Damit hatte Haider optisch wirkungsvoll eine Privilegiendebatte vom Zaun gebrochen, die den Sozialdemokraten bei den folgenden Nationalratswahlen herbe Verluste bescherte. Seit damals gehören derartige „Taferln“ zum fixen Instrumentarium vieler österreichischer Fernsehdiskussionen. Besonders im letzten Nationalratswahlkampf, im Jahr 2013, wurde in den TV-Konfrontationen der SpitzenkandidatInnen der wahlwerbenden Parteien von diesem Hilfsmittel reger Gebrauch gemacht.

Vor kurzem ist in der SWS-Rundschau der „Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft“ in Wien unter dem Titel „Taferlkunde“ ein Artikel über den Einsatz von visuellen Hilfsmitteln in den Fernsehdebatten zur Nationalratswahl 2013 erschienen. Verfasst hat diese bemerkenswerte Arbeit die Politologin Petra Bernhardt, deren Arbeitsschwerpunkte auf den in Österreich sonst eher vernachlässigten Bereichen visuelle politische Kommunikation, Visual Studies und Political Branding liegen. Zu den Intentionen ihres aktuellen Ansatzes vermerkt die Autorin Folgendes: „Während sich die Forschung zu visuellen Aspekten in Fernsehdebatten bislang vor allem mit Gesten als Mittel nonverbaler Kommunikation, mit der Inszenierung des Settings oder mit der Wirkung des Auftretens von PolitikerInnen beschäftigt hat, geht der folgende Beitrag einen anderen Weg. Auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse werden Form und Zweck des Einsatzes visueller Hilfsmittel analysiert.“

Petra Bernhardt hat für die Untersuchung nicht weniger als 17 ORF-Sendungen, zwei Diskussionen auf ATV, neun von PULS4 und drei von NEUWAL.COM bzw. ZIGE.TV untersucht. Der formale Bogen der eingesetzten visuellen Hilfsmittel reicht dabei von einfachen Textbotschaften bis zu grafisch gestalteten Kleinplakaten. Die Studie von Petra Bernhardt zeigt auch, dass die VertreterInnen der Oppositionsparteien im Zuge der TV-Konfrontationen weitaus mehr zu „Taferln“ griffen als Kanzler und Vizekanzler. Die grüne Spitzenkandidatin Eva Glawischnig führt dabei mit 18 Einsätzen die Liste vor Frank Stronach mit 11 gezeigten Schildern an.

Im Rahmen ihrer Untersuchung ging die Verfasserin der Studie noch einer Reihe weiterer Aspekte dieser interessanten Materie nach und gelangt dabei zu folgendem Resümee: „Das aus Sicht der Autorin interessanteste Ergebnis liegt in der thematischen Rahmung visueller Hilfsmittel, die mehrheitlich zu Kernthemen der Parteien zum Einsatz kamen. Dieser Umstand relativiert die Kritik an den vermeintlich inhaltsleeren Performances von PolitikerInnen im Rahmen von Fernsehdebatten und legt eine differenziertere Diskussion zu visuellen Hilfsmitteln und spezifischen Formen und Strategien ihres Einsatzes nahe.“

Bernhardt, Petra: „Taferlkunde.“ Visuelle Hilfsmittel in Fernsehdebatten zur Nationalratswahl 2013, in: SWS-Rundschau, 2014/2, S. 133 – 150.