Der in Wien geborene Ernst Deutsch erhielt seine künstlerische Ausbildung an der renommierten Kunstgewerbeschule seiner Heimatstadt. Wie andere Künstler zog es auch ihn nach Berlin, das damals eines der großen Zentren moderner Plakatgestaltung war. Ab 1911 war Deutsch sehr erfolgreich in Berlin tätig. Dort wurde er von dem extrem versachlichten Plakatstil eines Lucian Bernhard (vgl. Neue Werbung, 1985/5) angeregt und schuf Neues durch eine ihm eigene »sachliche Eleganz«. Mehr und mehr jedoch entfernte er sich von der Strenge des Sachplakates, der Hang zum Stofflichen und damit auch zur Fülle der Zeichnung bestimmten den Charakter seiner Arbeiten immer deutlicher. Ansätze dafür fanden sich bereits in seinen ursprünglich 1912 als Annoncen veröffentlichten, dann auch als Plakatserie erschienenen Entwürfen für »Richard’s«.
Dandyhaftes, mondäne Extravaganz, übersteigerte Eleganz und ein nicht selten verschmitzter Humor kennzeichneten diese Arbeiten und sollten für sein Schaffen auch weiterhin bestimmend bleiben. Diese Eigenschaften und seine eindeutige Zielgruppenorientierung brachten ihn formal in die Nähe eines Hans-Rudi Erdt. Während Erdt den sachlichen Gestaltungsprinzipien im wesentlichen verbunden blieb, war es bei Deutsch die eher persönliche Note, mittels der es ihm trotz des Hanges zur zeichnerischen Fülle gelang, einen skizzenhaften Eindruck zu erzeugen, der die Konzentration auf das Wesentliche zu wahren suchte.
1919 ging Deutsch nach Wien zurück, eine Entscheidung, die wohl auch mit den sich häufenden Plagiatsvorwürfen in der Zeitschrift »Das Plakat« der Jahre 1917 und 1918 in Zusammenhang stehen mochte. In Wien begann Deutsch eine neue Karriere. Er wechselte seinen Namen in Ernst Dryden und eröffnete ein eigenes Atelier. Seine Grundorientierung behielt er bei.
Die zwanziger Jahre brachten neue Werbemethoden und -strategien vor allem aus den USA nach Europa. Das Gesamtkonzept, der Werbefeldzug mit relativ einheitlichem Charakter begann sich in der Firmenwerbung durchzusetzen. Deutsch entwarf ein solches grafisches Erscheinungsbild für den exklusiven Wiener Herrenausstatter Knize. Seine künstlerische Entwicklung führte ihn folgerichtig zu einem kommerzialisierten Art-Deco-Stil. 1926 wurde ihm die künstlerische Leitung der Zeitschrift »Die Dame« übertragen. In dieser Eigenschaft zog es ihn nach Paris, in das Zentrum des Modegeschehens, wo er eine Unmenge Modezeichnungen, Titelblätter und Plakate entwarf. Außerhalb dieser Tätigkeit konzentrierte er sich auf Arbeiten für »Nobelprodukte«, die z. T. wieder an seine Berliner Zeit erinnerten, jedenfalls wurden kontrastierende Farbflächen wieder wichtige Gestaltungselemente.
1933 verließ er Europa in Richtung USA. Bereits ein Jahr später ist er ein gefragter Filmausstatter. Filme wie »Der Garten Allahs«, »Der verlorene Horizont«, »Dr. Rhythm« u. a. wurden von Deutsch ausgestattet, Stars wie Marlene Dietrich von ihm eingekleidet. Dass Deutsch sich als Arbeitsgebiet den »Ausstattungsfilm« wählte, war ein konsequentes Ergebnis seiner bisherigen Tätigkeit auf dem Gebiet der Mode. Seine Zeichnungen wurden sozusagen zum Leben erweckt, wurden Filmrealität.
Im März 1938 erlag Deutsch einem Herzanfall. Wenige Tage vorher hatte er vom »Anschluss« seines Heimatlandes an Nazi-Deutschland erfahren.
Der Filmregisseur und Freund Billy Wilder bezeichnete ihn als den »elegantesten Mann, der je gelebt hat« (Bernhard Denscher, Kunstpresse1988/3). Besondere Verdienste bei der Aufarbeitung des in Vergessenheit geratenen Oeuvre von Deutsch-Dryden haben Bernhard Denscher (Wien), der ihn mit der Ausstellung und dem Katalog »Tagebuch der Straße« wieder in das öffentliche Bewusstsein rückte, sowie Anthony Lipmann (London), der sich um die Bewahrung und Erschließung des Deutsch-Dryden Nachlasses sorgt.
Überarbeitete Fassung des 1990 erstmals erschienenen Artikels:
Grohnert, René: Ernst Deutsch-Dryden 1887 – 1938, in: Neue Werbung 1990/3, S. 30ff.
Literatur zu Deutsch-Dryden:
Denscher, Bernhard: Wiener!, in: Tagebuch der Straße, Wien 1981, S. 143f.
The Ernst Dryden Archive (Bonhams), London 1987.
Denscher, Bernhard: „Von Deutsch zu Dryden“, in: Kunstpresse 1988/3, S. 9ff.
Lipmann, Anthony: Der Dandy als Designer. Ernst Dryden. Plakatkünstler und Modeschöpfer, München – Luzern 1989.
Denscher, Bernhard: Eleganz auf der Plakatwand. Die Gebrauchsgraphik von Ernst Deutsch-Dryden, in: Zobl, Angele (Hrsg.): Von Wien bis Hollywood. Ernst Deutsch-Dryden und Max H. Lang. Meister der Mode-Illustration und Werbegrafik von 1910 – 1960, Salzburg 1990, S. 21ff.
Noever, Peter (Hrsg.): Ernst Deutsch – Dryden, En vogue!, Wien 2002 (=MAK Studies 2).