Arthur Zelger – „Ikonen und Eintagsfliegen“

Wie viel es im Bereich der österreichischen Designgeschichte noch zu dokumentieren und zu analysieren gibt, beweist in eindrucksvoller Weise das jüngst erschienene Buch „Ikonen und Eintagsfliegen. Arthur Zelger und das Grafikdesign in Tirol“. Herausgeberin Anita Kern und Herausgeber Kurt Höretzeder haben eine Reihe kompetenter AutorInnen für das Projekt gewinnen können, die in ihren Beiträgen nicht nur Leben und Werk des Grafikers Arthur Zelger exemplarisch aufarbeiten, sondern auch wesentliche Aspekte der Tiroler Kulturgeschichte in sehr anschaulicher Weise darstellen. Die Publikation ist zwar in Zusammenhang mit der Zelger-Ausstellung im Innsbrucker „Forum für visuelle Gestaltung WEI SRAUM“ entstanden, ist aber so konzipiert, dass sie weit über die Präsentationszeit der Schau hinaus für sich alleine Bestand haben wird.

„Der hundertste Geburtstag – und zehnte Todestag – des Tiroler Grafikdesigners Arthur Zelger ist ein guter Anlass, um die visuelle Kommunikation im alpinen Raum näher zu beleuchten“, so Anita Kern in ihrer Einleitung: „Und auch ohne diesen Anlass wäre eine solche Untersuchung sinnvoll: Grafikdesign ist für sich eine Unbekannte unter den Professionen, Produktdesign hingegen stets im Fokus. Man kennt die Produkte des Grafikdesigns wie Firmenzeichen, Markenschriftzüge oder Zeitungsköpfe, weiß aber meist nicht, welche Art von Beruf zur Erzeugung derselben befähigt – und kann schon gar nicht die Namen der Gestalter damit in Verbindung bringen.“ Zum Füllen derartiger biografischer Leerstellen leistet das von Kern und Höretzeder herausgegebene Buch einen wichtigen Beitrag, denn Arthur Zelgers lebenslanges Wirken am Image Tirols wird dadurch in Hinkunft zweifellos um einiges bekannter sein.

Schon die beiden insgesamt 146 Seiten umfassenden Beiträge „Eine kurze Geschichte des Grafikdesigns in Tirol“ und „Arthur Zelger, der erste moderne Grafiker Tirols“ von Anita Kern wären ein ausreichender Inhalt für eine eigenständige Monografie. Detailreich und differenziert geht darin die Autorin dem Leben und der gestalterischen Entwicklung von Zelger nach. Kern konnte für ihre Arbeit den umfangreichen Nachlass des Grafikers sichten, wodurch das Thema überhaupt erst für eine genaue Bearbeitung zugänglich wurde. Es ist ein Glücksfall, den man sich in ähnlichen Fällen öfters wünschen würde, dass die beiden Töchter von Arthur Zelger, Elisabeth Mittermayr und Nicola Schlachter-Zelger, einen respektvollen und sorgsamen Umgang mit dem Nachlass ihres Vaters pflegen und dadurch diese genaue Auswertung des Materials durch Anita Kern möglich machten. Schlüssig und nachvollziehbar wird von der Autorin in ihren Beiträgen dargelegt, warum Zelger in seinem Bereich nicht nur in Tirol die unangefochtene „Nummer 1“ war, sondern auch zu den „Leitfiguren des österreichischen Grafikdesigns im 20. Jahrhunderts“ gehört. In der Einleitung zu dem Artikel „Arthur Zelger, der erste moderne Grafiker Tirols“ findet sich die Auflösung des vielleicht etwas seltsam wirkenden Buchtitels „Ikonen und Eintagsfliegen“: Zelger, der Ikonen der Tourismuswerbung schuf, bekannte einmal in einem Zeitungsinterview, dass das, was er mache, „reine Eintagsfliegen“ seien. Buch und Ausstellung zeigen, dass er diesbezüglich geirrt hatte: Denn das aktuelle Tirol-Logo geht immer noch auf seinen Entwurf zurück.

Viel Interessantes bieten auch die anderen in dem Band „Ikonen und Eintagsfliegen“ versammelten Beiträge. Christian Maryška etwa stellt in seinem Artikel „Tyrol. Austria. Ein werblicher Blick auf die Tiroler Alpen“ faktenreich und in origineller Analyse die Entwicklung der Berg-Propaganda von Albrecht von Hallers 1729 erschienenem Gedicht „Die Alpen“ bis zum „Austria Tirol Haus“ bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 dar. Die Kunsthistorikerin Doris Hallama wiederum liefert in dem Artikel „Sonniges Grafikdesign. Alpenlandschaften im Plakat“ eine spannende und interessante motivgeschichtliche Analyse der Montan-Affichen.

Designexpertin Katrin Androschin geht in „Von der Tourismusreklame zur Standortmarke. Die Marke Tirol“ der Frage nach, wie eine touristische Destination am besten zu entwickeln sei und kommt dabei zu dem Schluss, der vielen Verantwortlichen von Wintersportgebieten in das Stammbuch geschrieben gehörte: „Tirol wurde nur deshalb zu einer kommerziell nutzbaren Marke, weil Menschen in urbanen Zentren Sehnsucht nach der alpinen Natur hatten und der industrialisierten Welt entkommen wollten. Wenn nun, wie 2014 ganz konkret sichtbar, ausgelöst durch den Rückgang der Nächtigungszahlen, die Natur mit künstlichen Mitteln wie aufwendigen Beschneiungsanlagen, Seilbrücken, ‚Sommerschneewelten‘ und anderen technischen Hilfsmitteln inszeniert und artifiziell ausgebaut wird, geht die Einzigartigkeit und Echtheit, die Tirol ausmachte und dessen Markenbild prägt, verloren.“

Günther Moschig („Tiroler Moderne. Ein Unfall?“), Maurice Kumar („Orte des Andersseins. Einblicke in die Subkultur der Alpenmetropole“) und Albrecht Dornauer („Intimspray und halbe Doppelalben. Eine Skizze zur Musikszene Innsbrucks und Tirols in den 1960er und 1980er Jahren“) stellen in ihren Artikeln weitergefasste kulturgeschichtliche Bezüge zum Thema Design her.

Mitherausgeber Kurt Höretzeder analysiert in seinem Beitrag das Werk Zelgers und die Tiroler Designszene in einem internationalen Kontext und kommt dabei zu einer durchaus kritischen Conclusio: „Mit Sicherheit war Tirol nie identisch mit dem, was Zelger auf seinen Plakaten zeigte – aber es ist in manchen seiner Selbstbilder eben genau dazu geworden, nicht immer zum Vorteil des Landes. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ganz falsch festzustellen: Eine tiefere Auseinandersetzung mit den Themen der kritischen Moderne in der Nachbarschaft hätte etwas dazu beitragen können, dass sich manches, was in Tirol noch heute zu problematischen Ergebnissen in der Begegnung zwischen Tradition und Moderne führt, durch ein kritischeres Grafikdesign, wenn nicht vermeiden, so doch zumindest lindern hätte lassen.“

Ein üppiger Illustrationsteil sowie einundzwanzig von Alexandra Smetana verfasste Biografien der wichtigsten Tiroler GebrauchsgrafikerInnen komplettieren die beeindruckende Publikation, die schon jetzt ein Standardwerk zum Thema darstellt.

Kern, Anita – Kurt Höretzeder (Hrsg.): Ikonen und Eintagsfliegen. Arthur Zelger und das Grafikdesign in Tirol, Innsbruck – Wien 2014.