„Der Blick auf zwei Welten“ lautet der Untertitel der aktuellen Robert Haas-Ausstellung im Wien Museum. Die von Anton Holzer und Frauke Kreutler kuratierte Schau ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert und verdienstvoll. Denn Haas gehört zu den vielen interessanten jüdischen Kreativen, die nicht nur in der NS-Zeit vertrieben, sondern nach 1945 auch aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt wurden.
Besonders erfreulich ist an dem Ausstellungsprojekt der Umstand, dass es dem Wien Museum gelungen ist, den mehrere Tausend Vintage Prints und Negative umfassenden fotografischen Nachlass von Haas zu erwerben und nun eine Auswahl von rund 250 Werken daraus präsentieren zu können.
Der 1898 in Wien geborene Haas war ausgebildeter Schriftkünstler und gründete 1925 gemeinsam mit Carry Hauser und Fred Siegle das grafische Atelier „Officina Vindobonensis“, das sich auf bibliophile Buchausgaben spezialisierte. Daneben gestaltete er als Kalligraf prunkvolle Urkunden und war auch als Gebrauchsgrafiker tätig. Immer an der Erweiterung seines künstlerischen Ausdrucksspektrums interessiert, studierte er von 1929 bis 1931 bei Trude Fleischmann Fotografie und brachte es auch in diesem Bereich sehr rasch zu einer bemerkenswerten künstlerischen Qualität und entsprechender Anerkennung.
So war Haas von 1936 bis 1937 offizieller Fotograf bei den Salzburger Festspielen, wo er all die damals tätigen Stars in dem für ihn typischen Stil ablichtete, wie etwa sein Schnappschuss von Marlene Dietrich zeigt.

Links: Robert Haas, Selbstporträt mit Rolleiflex, Wien 1935 / Rechts: Robert Haas, Marlene Dietrich bei den Salzburger Festspielen, 1936/37 (Beide Abbildungen: © Wien Museum/Sammlung Robert Haas)
Im September 1938 flüchtete Haas nach London und konnte ein halbes Jahr später in die USA emigrieren. Die gewaltigen neuen Eindrücke, die er dort erhielt, veränderten auch seine fotografische Arbeit. Kokuratorin Frauke Kreutler meint dazu: „Haas nahm die Einflüsse der amerikanischen Fotografie sehr offen auf. Die fotografischen Impulse waren vielfältig und sind am ehesten in der ‚straight photography‘ beziehungsweise in der Ästhetik der dokumentarischen Fotografie sowie den verschiedenen Ausprägungen der New Yorker Street-Photography der 1930er und 1940er-Jahre zu verorten.“
Robert Haas blieb aber auch in den USA der Typografie und Kalligrafie weiterhin treu. So gründete er nach dem Vorbild der Wiener „Officina Vindobonensis“ die auf künstlerische Druckwerke spezialisierte „Ram Press“ und war ebenso erfolgreich als Lehrender im Bereich der Schriftkunst tätig. Im Jahr 1997 verstarb Robert Haas neunundneunzigjährig in New York.
Zusammenfassend meint der Direktor des Wien Museums Matti Bunzl zu der Haas-Personale seines Hauses: „Die Ausstellung führt eindrucksvoll vor Augen, dass Haas die Kultur- und Fotogeschichte Wiens und Österreichs um fundamentale Positionen bereichert hat. Außerdem zeigt sich, dass die Karrieren von exilierten Fotografinnen und Fotografen nur im politischen und ästhetischen Spannungsfeld zwischen Europa und Amerika nachvollziehbar sind.“
Holzer, Anton – Frauke Kreutler (Hrsg.): Robert Haas. Der Blick auf zwei Welten, Berlin 2016.
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Wien Museum