Eine kurze, eher abschweifende Einleitung: Als die Bücher in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts ihr Format zu ändern begannen und schließlich sogar in Taschen passten, gab man ihnen auch gleich einmal ein besonderes Aussehen. (Reclam war – klein und günstig, vorher auch nicht nur gelb – so schon lange am Markt.) Jeder der Taschenbuchverlage legte Wert darauf, ganz speziell aufzutreten, eine eigene grafische Erscheinung zu zeigen. Celestino Piatti gab dem Deutschen Taschenbuchverlag sein unverwechselbares Aussehen, Jan Buchholz und Reni Hinsch taten das Ihre bei den Fischer-Taschenbüchern, Werner Rebhuhn werkte bei rororo, bei Diogenes ging man den Weg, prominente Bilder aus der Geschichte der Malerei am Cover als Eycatcher zu benützen, oder die sparsamen Zeichnungen von Flora, Unger und Sempé. Ja, und dann gab es noch Willy Fleckhaus. Und damit sind wir beim Thema. Willy Fleckhaus, „der teuerste Bleistift Deutschlands“, um diese doch eher unsympathische zeitgenössische Bewertung wenigstens einmal zitiert zu haben und damit auch gleich loszuwerden, Willy Fleckhaus gestaltete bei Suhrkamp. Bevor die Biografie dieses „Gestalters“ näher beleuchtet werden soll, sei doch noch schnell die Frage gestellt, warum – so hat es doch den Anschein, oder? – warum also Taschenbücher heutzutage so überhaupt nichts mehr vom gestalterischen Flair der Anfangszeit behalten haben. Ging man früher in eine Buchhandlung, so erkannte man die Taschenbücher der einzelnen Verlage sofort an ihrem Aussehen, am Design, am Cover. Heutzutage regiert Uniformität.

Suhrkamp Taschenbuch, Suhrkamp Verlag, Reihenentwurf 1973, Willy Fleckhaus, © Foto: Carsten Wolff, Fine German Design, Frankfurt am Main
Zurück in damalige, bessere Zeiten, zur Biographie von Willy Fleckhaus: Geboren 1925 in der Nähe von Düsseldorf, war er zuerst einmal Journalist, wechselte aber bald in die Gestaltung, zuerst einer Zeitung („Aufwärts“ war eine gewerkschaftliche Jugendzeitschrift), konzipierte nach einschlägigen Beratungsaufträgen (u.a. für DuMont Schauberg) Katalog und Design der Photokina, um 1959 – das war sein Jahr – mit „Twen“ auf den Markt zu kommen und gleichzeitig bei Suhrkamp die schlicht-elegante „Bibliothek Suhrkamp“ zu gestalten, in der die Klassiker der Moderne verlegt wurden. Fleckhaus meinte, dass „der Gegenwärtigkeit der Mittel dieser Autoren die Gegenwärtigkeit der Mittel der Umschläge entsprechen müssten.“ Dort, bei Suhrkamp, erregte er auch mit der „edition suhrkamp“ Aufsehen. Die Rücken einfarbiger Taschenbuchbände wanderten – in korrekter Erscheinungsfolge aufgestellt – einmal durch das gesamte Farbspektrum. Nach jeweils 48 Bänden entfaltete der Regenbogen aufs Neue sein buntes Spiel. Auch den Suhrkamp- und den Insel-Büchern gab er ein sofort erkennbares, eindeutiges – wenn auch nicht uniformes – Aussehen. Erst 2004 ging man bei Suhrkamp von dieser Gestaltungsform ab.

twen, 1969, Nr. 2, Fotografie: Charlotte March, Grafik: Willy Fleckhaus, © Foto: Hans Döring
Twen. Eigentlich müsste man ja „twen“ schreiben. So – mit kleinem t – wollte es Fleckhaus, damals in den 1960er Jahren. Der Schreiber dieser Zeilen war damals auch Twen. Und man kann sich heutzutage nicht vorstellen, was das damals bedeutete, so etwas wie diese Zeitschrift in der Hand zu haben. Adolf Theobald, der Mitbegründer, meinte, dass das Heft „den hohen Ehrgeiz habe, in Bild, Typographie und Layout ähnlich stilbildend zu wirken, wie Ende des 19. Jahrhunderts die Münchner Zeitschrift Jugend“. Man wollte auch eine Mittlerrolle spielen zwischen einem aufgeschlossenen, jugendlich eingestellten Bürgertum, dem politischen Umfeld der APO (Außerparlamentarische Opposition) und der Studentenbewegung der 1968er Jahre. Was immer da jetzt – fünfzig Jahre später – alles hineingeredet und –geschrieben wird: Twen war einfach fetzig – oder wie das anders heißt: „peppig und provokativ“. Man schrieb dort über Lifestyle (Mode, Musik, Urlaub, Sexualität und Partnerschaft) aber auch Kultur, rezensierte regelmäßig Filme, Bücher und Schallplatten. So sei noch einmal der Mitgründer Theobald zitiert, der rückblickend meinte: „Twen hat mit Idealen gehandelt, nicht mit Idolen.“ Und wenn jetzt geschrieben wird, dass Twen heute noch als Paradebeispiel deutscher Popkultur gilt, dann darf einer, der wie schon erwähnt, damals ein Twen war, auch schon die Frage stellen, wo denn die Paradebeispiele dieser deutschen Popkultur heutzutage zu finden seien. Sowieso verklärt man rückblickend viel, aber, wenn man sich diese überlieferten Abbildungen der Zeitschrift anschaut, dann sind das Ikonen, die sich dem damaligen Betrachter eingebrannt haben und die auch heutzutage noch ästhetische Gültigkeit haben. Da ist nichts, wofür man sich schämen müsste, weil einem das damals so gut gefallen hat.

Frankfurter Allgemeine Magazin, 1980, Nr. 42, Fotografie: Lettera, Grafik: Willy Fleckhaus, © Foto: Hans Döring
Die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg hat drei Schwerpunkte, wobei die Person Fleckhaus immer – mit Zitaten, Fotos, Skizzen und persönlichen Erinnerungsstücken – präsent ist. Die Zeitschrift Twen steht im Vordergrund, dann spielen natürlich auch die Arbeiten für Suhrkamp und andere Verlage eine große Rolle und schließlich bilden die schwarz umrandeten Hefte des Magazins der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den abschließenden Höhepunkt.
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MKG