Machen Sie mich schön, Madame dʼOra!

Madame d´Ora (Dora Philippine Kallmus), Badeanzug der Wiener Werkstätte, 1917 (späterer Abzug) © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg Foto: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Es gibt sie schon noch, die Fotostudios. In ihren Auslagen sieht man, wie schön wir zu festlichen Anlässen gemacht werden können. Da ist alles perfekt: Komposition, Ausleuchtung, Farbe, Gesichtsausdruck. Perfekt, aber ohne Geheimnis. Dass hinter dem Schönmachen noch viel mehr sein kann als eine voll funktionierende digitale Studio-Ausrüstung und auch ganz andere Saiten aufgezogen werden können, erleben wir jetzt wieder in einem Bildband – und in einer Ausstellung (bis 29. Oktober 2018): „Machen Sie mich schön, Madame dʼOra!“ Der Titel ist geheimnisvoll, die Bilder zum Teil Ikonen, die in unserem visuellen Gedächtnis immer schon so da gewesen zu sein schienen. Wer ist diese Madame dʼOra? Und wer will von ihr schön gemacht werden? Monika Faber und Magdalena Vuković kuratierten die Ausstellung im Wiener Leopold-Museum und sind als Herausgeberinnen zusammen mit Esther Ruelfs maßgeblich daran beteiligt, dass aus dem Buch nicht nur ein Bildband wurde, sondern das Porträt einer einmaligen Frau, mit den Porträts all derer, die sie schön gemacht hat. Hinter dem Markenzeichen Madame dʼOra – dessen Entstehung auch Gegenstand einschlägiger Betrachtungen ist – hinter Madame dʼOra also steht Dora Philippine Kallmus (1881–1963), die „vielgeliebte, verwöhnte und behütete“ Tochter aus gutem Haus, deren berufliche Anfänge als Fotografin am Beginn des Buches aufgezeigt werden, bevor von ihren Ausstellungen, ihrem Aufenthalt in Paris, ihrer Arbeit für internationale Zeitschriften die Rede ist. Natürlich sind spezielle Kapitel auch dem gewidmet, was sie am liebsten fotografiert hat: Schmuck, Hunde, kapriziöse Tanz-Posen und Frauen. Die Glamourfotografie ist Gegenstand eines Kapitels, genauso wie Haute Couture & Haute Société. Zur Biografie gehört auch, dass die Fotografin selbst durchaus schriftstellerische Ambitionen hatte: Verlust sei ein „prägendes Motiv“ ihres Schreibens, mit dem sie auch „die Rezeption ihrer eigenen Geschichte nachhaltig gesteuert habe“, schreibt Cathrin Hauswald in einem Aufsatz über das bleibende Bild der Fotografin, den sie damit endet, dass „die Beziehung von Dora Kallmus zur Fotografie offenbar selbst eine amour fou war“. 

Madame dʼOra (Dora Philippine Kallmus): Links: Elsie Altmann-Loos, 1922 © Photoarchiv Setzer-Tschiedel/IMAGNO/picturedesk.com | Foto: Photoarchiv Setzer-Tschiedel/IMAGNO/picturedesk.com ) Rechts: Hermann Bahr, um 1909 © Fotosammlung Ostlicht, Wien | Foto: Ostlicht. Galerie für Fotografie, Wien

Das schafft die Überleitung zu den Bildern, zu den erwähnten Ikonen. Denn gewisse Prominente des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts sehen für uns eben so aus, wie Madame dʼOra sie abgelichtet, dargestellt hat. So etwa, um nur einige Beispiele aus den in und um Wien Lebenden zu nennen: Emilie Flöge, Hermann Bahr, Karl Kraus, Gustav Klimt, Alban Berg und Berta Zuckerkandl. D i e fotografische Ikone aus der Zeit schlechthin ist das dramatische Porträt von Elsie Altmann-Loos, da ist der Jugendstil fotografisch festgehalten. „Die Arbeit von zweieinhalb Jahrzehnten hat den Blick der dʼOra so geschärft, daß sie sofort erkennt, was sie aus ihrem Modell zu machen hat, daß sie ‚schlecht fotographierbaren‘ Personen erklären kann, welcher Zug ihres Gesichtes die Schwierigkeit bildet, und daß sie gleich weiß, wie sie diese Schwierigkeit durch den Aufbau des Bildes zu überwinden hat. Dennoch bleibt ein Widerstand bei ‚schlechten‘ Modellen, der im Kampf mit den Modellen durch eine Art von Hypnose besiegt werden muß.“ Steht vor 80 Jahren in „Deutsche Kunst und Dekoration.“ Aber auch wie sie Mode dargestellt, besser inszeniert hat, ist einmalig, da bleibt sogar das Auge des nicht so sehr an Mode Interessierten hängen. Weil sie ja nicht nur eine Meisterin des Bildaufbaus, sondern auch der Technik war. Sie fotografierte Tänzerinnen und Erzherzoginnen, Stars, Hunde und Tiere in den Schlachthäusern und ließ so Jean Cocteau von den „Schwingen des Genies, die sie beflügelten“, schreiben: „Hundert und mehr photographische Meisterwerke zeigen uns Madame Colette, Maurice Chevalier, Ochsen an der Schlachtbank – wie an einem Weltenmorgen, wie wenn wir sie zum ersten Male sähen.“ Eine Bemerkung noch zu den „hundert und mehr photographischen Meisterwerken“, von denen Cocteau schreibt: Monika Faber notiert in einem Vorwort über technische Details, dass „in den diversen Ateliers von dʼOra in Wien, Karlsbad und Paris mindestens 200.000 Aufnahmen ausgearbeitet worden“ seien.   

Weitere Hinweise:
Leopold Museum

Faber, Monika – Esther Ruelfs – Monika Vuković (Hrsg.): Machen Sie mich schön, Madame dʼOra. Dora Kallmus Fotografin in Wien und Paris 1907-1957, Wien 2018.