Ein bisher unbekanntes Plakat von Friedl Dicker und Franz Singer?

Friedl Dicker-Brandeis (Foto: Wikimedia Commons)

In der Auktion am 5. Mai 2011 wurde bei Swann in New York ein bemerkenswertes Plakat mit besonderem Österreichbezug versteigert. Es war ein bis dato unbekanntes Plakat, das mit großer Wahrscheinlichkeit von Friedl Dicker (möglicherweise mit Franz Singer), der in Auschwitz ermordeten Innenarchitektin, Designerin, Malerin und Grafikerin, entworfen wurde. In den österreichischen Sammlungen ist kein Exemplar bekannt. Auch in der Berliner Kunstbibliothek befindet sich die Affiche nicht – ebenso wenig wird das Plakat in den einschlägigen Publikationen zu Dicker/Singer erwähnt.

Als Friedl Dicker und Franz Singer am Bauhaus in Weimar studierten, kam es 1921 zu einer ersten engeren Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller und Theaterregisseur Berthold Viertel. 1923 gründete Viertel mit Heinrich Fischer als Dramaturgen nach dem Vorbild von Stanislawskis „Moskauer Künstlertheater“ ein kurzlebiges, genossenschaftlich organisiertes Theaterensemble: „Die Truppe“.  Als Bühnenbildner verpflichtete er nur die Crème de la Crème der damaligen Avantgarde wie Friedrich Kiesler, George Grosz und das Künstlerpaar Friedl Dicker und Franz Singer.

Im Lustspielhaus in der Berliner Friedrichstrasse inszenierte er Ibsens „John Gabriel Borkman“, Musils Komödie „Vinzenz oder Die Freundin bedeutender Männer“ und Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“, das als erstes Stück ab 12. September 1923 auf dem Spielplan stand. Einen Monat zuvor gründeten Dicker und Singer in Berlin-Friedenau die Werkstätten Bildender Kunst. Fritz Kortner gab den Shylock und war ob der Dicker/Singer’schen Bauhaus-Kostüme erbost. Das Experiment scheiterte nach kurzer Zeit mit einer hohen Schuldenlast, wie Konstantin Kaiser bemerkte. [literaturepochen.at]

Das sensationelle, typografische Plakat zum „Kaufmann von Venedig“ im Bauhausstil von 1923 – noch vor den berühmten Tschichold-Plakaten – wurde nun um wohlfeile 1500,– Dollar versteigert.

Zumindest in der Sammlung der Universität für angewandte Kunst in Wien befinden sich Relikte dieser Inszenierung in Form von Kostümentwürfen von Dicker/Singer.

Weitere Hinweise:
Swann Auction Galleries