Hermann Kosel: Von Rikola zum Buchkontor

Ein immer wieder verwendetes Markenzeichen für Bücher, entworfen von Hermann Kosel

Der gebürtige Wiener Plakat- und Werbekünstler Hermann Kosel (1896–1983) hatte seit dem Jahr 1921 eine Verbindung zu dem im Dezember 1920 vom Bankier Richard Kola gegründeten Rikola-Verlag[1]. Im ersten Produktionsjahr (1921) erschien nämlich der Roman Die gelbe Fahne des Rechtsanwalts, Übersetzers und Autors Leo Fischmann (1887 – ?), für den Kosel gemeinsam mit Rolf Frey („Kosel-Frey“) den Einband für den Roman gestaltete.[2] (Abb. 1) Erst ein paar Jahre später lässt sich im Programm des Rikola-Verlags ein weiterer Einband von Kosel nachweisen, und zwar handelt es sich um das im Dezember 1924 erschienene, letzte deklarierte Jugendbuch im Rikola-Verlag Was der Riegler-Ferdl erlebte. Ein Wiener Jugendbuch von Friedrich Kuthmayer. (Abb. 2)

Abb. 1: Leo Fischmann: Die gelbe Fahne. Roman. Wien 1921. Einband Kosel-Frey; Abb. 2:  Was der Riegler-Ferdl erlebte. Ein Wiener Jugendbuch. Einband Hermann Kosel (Beide: ARCHIV AUSTRIAN POSTERS)

Im Jahre 1923 dürfte Kosel bzw. sein Atelier vom Verlag den Auftrag bekommen haben, ein Rikola-Markenzeichen zu schaffen. Das Ergebnis war für eine rechtskundige Fachöffentlichkeit bereits im September 1923 sichtbar, als ein neues zu schützendes Verlagssignet, das wie davor und danach das Pfeil- und Bogenmotiv verwendete, und das Motiv eines lesenden Paares (hier in Schwarz-Weiß) im Österreichischen Zentral-Marken-Anzeiger[3] kundgemacht wurde. Geschützt waren Marke und Signet seit dem 7. Juni 1923. (Abb. 3)

Abb.: 3: Österreichischer Zentral-Marken-Anzeiger, Nr. 6, 1923, Wien, 26. September 1923, S. 151.

Ob das Signet, das im gleichen Jahr etwa in Rot und Weiß eingesetzt wurde (Abb. 4), auch von Kosel entworfen wurde, ist nicht klar.

Abb. 4: Rikola Verlagssignet 1923

Die Rikola-Verlag A.G., deren Programm u.a. auf österreichische Gegenwartsliteratur fokussiert war, durchlebte einige turbulente Jahre, bevor sie 1926 de facto die Tätigkeit einstellte. Aber das bedeutete keineswegs, dass die Kosel-Marke auf ewig von der Bildfläche im österreichischen Buchhandel verschwinden sollte. Im Gegenteil. Aber zuerst zu den mehrfachen Varianten der Marke von 1923. Es sind zunächst einmal drei, die zu erwähnen sind, alle auf Basis der geschützten Marke und alle in rot und schwarz gehalten. Die erste Variante ist ein Plakat im Bestand der Wienbibliothek bzw. des Museumsfür  angewandte Kunst (MAK) in Wien (Abb. 5) mit dem Kosel-Logo rechts auf dem schwarzen Balken. Die zweite Variante sollte als Werbung für Rikola-Bücher zu Weihnachten 1923 dienen. Oberhalb der beiden lesenden Köpfe steht „Das schönste Weihnachtsgeschenk“ und unterhalb der Schrift „RikolaBücher“ steht „In jeder Buchhandlung zu haben“. (Abb. 6)

Abb. 5: Plakat 1923, Wienbibliothek / MAK (Foto: AAP), 32 x 36 cm; Abb. 6: Plakat 1923, ÖNB, 34 x 34 cm

Eine dritte Variante im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek bzw. des MAK unterscheidet sich nur marginal von den beiden erstgenannten Plakaten, insofern als der Firmenname „Kosel-Frey“ nun unterhalb der Zeile „RikolaBücher“ angebracht ist. (Abb. 7)

Abb. 7: Plakat 1923, ÖNB / MAK, 95 x 126 cm

Wesentliche Änderungen an diesem Motiv hat Kosel ebenfalls im Jahr 1923 vorgenommen, als er das Rikola-Plakat für das in Chicago erscheinende Buch Poster Art in Vienna zur Verfügung stellte. (Abb. 8, unpaginiert)

Abb. 8: Variante in Poster Art in Vienna, Chicago 1923 (AAP)

Erstens sind die Hände der lesenden Personen nun leicht geändert, zweitens ist die Zeile „RikolaBücher“ unter dem schwarzen Balken nun in Großbuchstaben wiedergegeben (und darunter sehr klein der Firmenname Kosel-Frey), drittens ist die „Bindung“ des Buches statt mit einem kreisförmigen weißen Loch nunmehr ganz schwarz und viertens unterscheidet sich die Augenpartie des männlichen Lesers ganz deutlich von der ersten Variante durch den starren Blick. Darüber hinaus hat Kosel auch die Brillenfassung „retuschiert“ und etwas stärker gemacht.

Abb. 9: Werbung für den Verlag Christian Brandstätter (Archiv Murray G. Hall)

Etwa sechs Jahrzehnte später, in den 1980er Jahren, tauchte eben dieses Motiv in der Verlagswerbung wieder auf, und zwar in der des Verlags Christian Brandstätter in Wien (Abb. 9). Der Verlag ließ, ohne Hinweis auf den Urheber, selbstklebende Streifen (15 x 18 cm) mit Spartennamen in Großbuchstaben (Kulturgeschichte, Photographie, Kunstgeschichte, Literatur, Topographie) drucken. Darunter stand der Verlagsname. Ein paar Jahrzehnte später wurde die Kosel-Marke aus dem Jahr 1923 erneut sichtbar.

Abb. 10: Das “Buchkontor” auf dem Kriemhildplatz im 15. Wiener Gemeindebezirk (Foto: B. Denscher)

Die Wiener Buchhändlerin Ulla Harms eröffnete 2009 die Buchhandlung „Buchkontor“ am Kriemhildplatz im 15. Wiener Gemeindebezirk und auf der Suche nach einem passenden Logo stieß sie zufällig auf Hermann Kosels Rikola-Marke mit den beiden Lesenden. Nach einer intensiven Suche nahm sie mit Johanna Kosel, der Witwe von Hermann Kosel jun. und Rechteinhaberin nach dem Schwiegervater, Kontakt auf. Harms erwarb die Rechte, und seitdem sind Kosels Lesende sowohl in der Buchhandlung als auch auf der Firmenwebsite als auch auf sämtlichen Veranstaltungsflyern zu bewundern.[4] (Abb. 10) Wie man sieht: erfolgreiche Firmenmarken haben ein langes Leben.

[1] Näheres zur Geschichte dieser Firma bei Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938. Band II. Wien: Böhlau Verlag 1985, S. 310–357. 
Zur Tätigkeit Kosels für den Fiba-Verlag in Wien siehe ferner ders.: Hermann Kosel als Buchgestalter. Am Beispiel des Fiba-Verlags Wien–Leipzig.
[2] Siehe Hermann Kosel. The Holy every Day, S. 88. Fischmanns Roman erschien in Fortsetzungen vom 28. Juni bis einschließlich 14. September 1921 im Neuen Wiener Tagblatt. Auf Grund der kurzen Produktionszeit können wir davon ausgehen, dass Rikola das Werk von einem anderen Verlag übernahm.
[3] Nr. 6, 1923, Wien, 26. September 1923, S. 151.
[4] Näheres zur Firmengeschichte siehe Buchkontor.