Wenn zwei Plakatkünstler den gleichen Familiennamen tragen, so ist damit nicht gesagt, dass sie verwandt sind oder gar die gleichen künstlerischen Intentionen verfolgen. Auch ihr Bekanntheitsgrad kann sich erheblich unterscheiden. Wenn sich rückblickend dann trotzdem zeitweilige parallele Entwicklungen feststellen lassen, so ist dies allemal Grund genug, sich einem solchen Thema zu widmen.
Der eine ist der zu Recht bekannte österreichische Grafiker Joseph Binder (3.3.1898, Wien – 26.6.1972, Wien), der andere der zu Unrecht wohl nicht mehr so bekannte Josef Friedrich Gustav Binder (31.3.1897, Ludwigshafen – 30.3.1991, Scheidegg).
Beide signierten ihre Arbeiten mit B I N D E R in Großbuchstaben und erweitertem Zeichenabstand. Es waren Signaturen, die auch in Variationen ähnlich bleiben. Auch wenn eine unmittelbare Verwechselungsgefahr nicht unbedingt besteht, wenn man um die beiden Binder weiß, so scheint es doch trotzdem sinnvoll, hier einige Parallelitäten und Unterschiede aufzuzeigen, die in Zweifelsfällen helfen mögen. Neben dem direkten Vergleich der Plakate, anderer Arbeiten (z.B. Schutzmarken) und der verschiedenen Signaturvarianten können die Lebensstationen in Zweifelsfällen eine sinnvolle Ergänzung bei der eindeutigen Identifizierung sein.
Joseph Binder, geboren am 3.3.1898 in Wien, erlernte den Beruf des Lithographen, besuchte anschließend die Kunstgewerbeschule in Wien (u.a. bei Berthold Löffler), danach tätig in dem Gemeinschaftsatelier ESBETA. Gründete 1924 ein eigenes Grafikatelier. In der Folge wurde hier ein moderner Plakatstil kreiert, dessen Erfolg Binder international bekannt machte. Herausragende Arbeiten u.a. für: Semperit (Signet), Bensdorp (Schriftzug), Meinl-Kaffee und -Tee (Plakate, u.a. der noch heute verwendete „Meinl-Mohr”; erste Fassung von 1924), Arabia-Kaffee Gesamtkonzept (Schutzmarke, Plakate, Verpackungen, Geschäftseinrichtungen, Portale) u.a.m.
Im Jahre 1933 wurde Binder zum ersten gerichtlich beeideten Sachverständigen für Gebrauchsgrafik in Österreich ernannt. Im selben Jahr folgte er einem Angebot für einen Lehrauftrag in die USA. Dort gründete er ein eigenes Atelier für Graphic Design. Mit seinen Arbeiten erlangte Binder internationale Anerkennung. Er gestaltete Plakate (u.a. für Ford und die US-Navy), Schutzmarken, Inserate, Zeitschriftencover. Zusammenarbeit u.a. mit A.M. Cassandre. Zunehmend auch Arbeit als bildender Künstler.1965 begann Binder mit abstrakter Malerei, die er „nonobjective art” nannte. Bei der Vorbereitung einer großen Ausstellung seiner Werke verstarb Joseph Binder am 26.6.1972 in Wien. Sein Nachlass befindet sich heute im Österreichischen Museum für angewandte Kunst in Wien.
Josef Friedrich Gustav Binder, geboren am 31.3.1897 in Ludwigshafen, Schulausbildung und Abitur in Ludwigshafen, Kunst-Studium in Berlin. 1922-27 in Saarbrücken als selbstständiger Grafiker und Professor. Gewinnt 1924 den internationalen Signet-Wettbewerb der IG-Farben und wird schnell zu einem gesuchten Gebrauchsgrafiker. 1927-1936 eigenes Studio in Ludwigshafen-Mannheim. Zahlreiche Beteiligungen und Auszeichnungen an internationalen Ausstellungen und Wettbewerben (Weltausstellung Paris 1925, Barcelona 1929, Chicago 1933). Arbeiten u.a. für IG Farben, Knorr, Fissan u.a.m. Wandte sich auch der Malerei zu, wobei seine Bilder zumeist wie durch einen scharfen Kristall betrachtet zu sein scheinen. Auch Bilder nahezu abstrakter Geometrisierung finden sich in seinem Werk. Am 30.3.1991 verstarb Josef F.G. Binder, der schon viele Jahre zurückgezogen lebte, in Scheidegg/Allgäu.
Literatur:
Binder, Carla: Joseph Binder, ein Gestalter seiner Umwelt, Plakate, Werke graphischer und freier Kunst, Aufzeichnungen aus der Joseph Binder Collection, Wien – München 1976.
Binder, J.F.G., Trademarks, Stuttgart 1958.
Denscher, Bernhard, Österreichische Plakatkunst 1898-1938, Wien 1992, S. 194.
Noever, Peter (Hrsg.): Joseph Binder Wien – New York, Wien 2001 (=MAK Studies1).
Stangl, Hans, Einer der bedeutendsten Industriedesigner der Welt. Josef Friedrich Binder, In: Graphik Heft 4/1957, s. 18 ff.
Aktualisierte und überarbeitete Fassung des 1994 erstmals erschienenen Artikels: Grohnert, René: BINDER oder BINDER?, in: PlakatJournal 1994/4, S. 20f.
Den Herausgebern von PlakatJournal, René Grohnert und Jörg Weigelt, wird für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Beitrages in deutscher und englischer Sprache gedankt.