Gustav Kalhammer

Gustav Kalhammer, Baumwollstoff, Entwurf „Gloggnitz“ für die Wiener Werkstätte, 1910/11 (Rhode Island School of Design Museum)

Eine Brosche, Silberfiligran mit Rubinen und Chrysopras, eine weitere, in Silber montiert und vergoldet, mit Almandinen, Perlen und Opal, eine dritte Brosche, Silberfiligran mit Amethyst und Smaragden[1], ein Silberanhänger, vergoldet, mit Amethyst und Chrysopras, ein Anhänger, in Silber getrieben und montiert, vergoldet, mit Chysopras, Türkisen und Almadin[2], sowie ein blauer Seidenschal mit weiß-goldener Stickerei. 

Zu sehen waren diese sehr exklusiven Objekte in der „Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 1910–1911“ im Wiener „Museum für Kunst und Industrie“, dem heutigen „Museum für angewandte Kunst”. Entworfen hatte sie Gustav Kalhammer, von dem bei dieser kreativwirtschaftlichen Leistungsschau noch weitere Entwürfe präsentiert wurden – so etwa  ein gestickter und mit Flitter benähter Fächer, eine Kassette mit gestickten, schwarz-weiß-goldenen Einlagen, ein Seidentäschchen mit Stickerei, ein gesticktes Kissen, ein schwarzes, geknüpftes und mit Goldperlen verziertes Täschchen sowie eine Tischdecke mit Buntstickerei.[3] Die Beispiele zeigen, wie groß das Gestaltungsspektrum des jungen Künstlers, der eben erst die Kunstgewerbeschule beendet hatte, war – und sie demonstrieren auch, dass die angewandte Kunst einen wichtigen, oft unterschätzten Faktor im Bereich des Textil-Designs darstellt.

Links: Inserat, in: Jahrbuch des deutschen Werkbundes, 1913 / Rechts: Ansichtskarte der Wiener Werkstätte, 1911 (The Metropolitan Museum of Art, New York)

Gustav Kalhammer wurde am 16. Juni 1886 in Wien geboren. Er absolvierte die „Graphische Lehr- und Versuchsanstalt“[4] und besuchte danach, von 1905 bis 1910, die Wiener Kunstgewerbeschule, wo er unter anderem bei Kolo Moser studierte. In den vier Jahren, die zwischen seinem Studienabschluss und dem Beginn des Ersten Weltkriegs lagen, entwickelte Kalhammer eine nahezu unglaubliche Produktivität. Er war als „Fachlehrer“ tätig und beteiligte sich nebenbei an einer Reihe bedeutender Ausstellungen: So etwa war er auch wieder in der „Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 1911–1912“ vertreten. Dabei präsentierte er „zwei Kaminsessel für einen Damensalon“[5] und Entwürfe für Geschirr der renommierten Porzellan-Manufaktur Josef Böck. Neben einem von ihm gestalteten Speiseservice waren es zwei Dessertservices: Eines mit „Wiener Ansichten“, ein anderes mit „Wachauer Ansichten“, wobei er in beiden Fällen beim Bilddekor mit Hans Kalmsteiner zusammengearbeitet hatte.[6] . Bei weiteren Kunstgewerbe-Ausstellungen in den beiden folgenden Jahren präsentierte Gustav Kalhammer neben Silberarbeiten auch „Merkantile Drucksorten“.[7] Gebrauchsgrafik war auch das Thema der Ausstellung „Gelegenheitsdrucksorten aller Art für die geschäftliche Propaganda und den gesellschaftlichen Bedarf mit Schriften und Ziermaterial“, an der Kalhammer mitwirkte und die 1912 im „Niederösterreichischen Buchdrucker- und Schriftgießerverein“ in Wien stattfand.[8]

Ansichtskarte der Wiener Werkstätte, 1911 (The Metropolitan Museum of Art, New York)

Gustav Kalhammer gestaltete Plakate für „Frommes Kalender“, entwarf Tapeten und lieferte für die Wiener Werkstätte Entwürfe für Stoffe, Bilderbogen und Ansichtskarten. Er war ständiger Mitarbeiter des „Blatts der Hausfrau“, in dem er grafische Arbeiten, wie Menü- und Tanzkarten[9], publizierte und für das er Vorlagen für Stickereien entwarf.[10]

Ein Mysterium umgibt sein tragisches Verschwinden: Am 30. April 1920 wurde Gustav Kalhammer als seit dem 23. August 1919 abgängig gemeldet[11] – was geschehen war, wann und woran er starb, blieb im Dunkeln.

Aus der Neuerscheinung: Bernhard Denscher, Gebrauchsgrafik aus Österreich. 51 Lebensläufe. Aesculus Verlag, Wolkersdorf 2022. 204 Seiten, mit 212 meist farbigen Abbildungen; ISBN 978-3-200-07991-5, S. 120ff.

[1] Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 1910–1911, Katalog, k.k. Oesterreichisches Museum für Kunst und Industrie, Wien 1911, S. 38.
[2] Ebenda, S. 40.
[3] Ebenda, S. 111f.
[4] 1904 präsentierte Kalhammer in einer Ausstellung von Schülerarbeiten in der „Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt“ buchkünstlerische Arbeiten, siehe: Österreichisch-ungarische Buchdrucker-Zeitung, 14.7.1904, S. 369.
[5] Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 1911–1912, Katalog, k.k. Oesterreichisches Museum für Kunst und Industrie, Wien 1912, S. 109.
[6] Ebenda, S. 34f.
[7] Frühjahrsausstellung österreichischer Kunstgewerbe verbunden mit einer Ausstellung der k. k. Kunstgewerbeschule Wien, Katalog, Wien 1912, S. 45.
[8] Neues Wiener Tagblatt, 11.10.1912, S. 15.
[9] Blatt der Hausfrau, 29.1.1911, S. 18.
[10] Ebenda, 21.1.1912. S. 10; 14.12.1913, S. 12; 18.1.1914, S. 13; 12.7.1914, S. 9.
[11] Schweiger, Werner J.: Wiener Werkstätte. Kunst und Handwerk 1903–1932, Wien 1982, S. 263.