Kunst als Wertanlage?

Alphonse Mucha, Plakatausschnitt 1911

Was tun, wohin mit dem Geld, um es in unsicheren Zeiten zu sichern? Die Zinsen sind im Keller, bei den Aktien wartet man immer auf eine unvorhersehbare Bereinigung, die Mitnahmeeffekte, die Bekanntgabe der Bilanzen von Dax-Firmen, die Ausschüttung der Dividenden oder die Gewinnwarnung – von Naturkatastrophen und politischen Umstürzen ganz zu schweigen. In all diesem Auf und Ab, Hin und Her ist es verständlich, wenn man etwas Ruhe in der Bewegung haben möchte, das bietet immer mal wieder auch die Flucht ins Gold oder in die Immobilien – zunehmend gilt die Hoffnung auch der Kunst. Dies führt dann auf dem Kunstmarkt immer einmal wieder zu absurden Preissprüngen – ein Preisrekord folgt dem nächsten in rascher Folge. Mittlerweile gibt es zahlreiche Künstler und Themen, die derart hoch gehandelt werden, dass mit einer Wertsteigerung kaum noch gerechnet werden kann.

Ist denn Kunst als Anlageobjekt geeignet? Das Risiko scheint jedenfalls sehr hoch zu sein, gibt es doch für die Preisentwicklung keine wirklichen Indikatoren, wie Umsätze, Innovationspotenzial o.ä. Und in welcher Position wird sich das Werk kunsthistorisch und monetär in fünf, zehn oder zwanzig Jahren wiederfinden? Hier bestimmt nur die Hoffnung den Kurs.

Wer berät hier eigentlich wen und mit welchem Interesse und welchem Erfolg? Eine Anekdote verhalf mir einst zu einer sehr simplen Erkenntnis, es ist die scheinbare oder wirkliche Kennerschaft anderer, auf die sich der Laie stützt, zum einen um sich nicht zu blamieren, zum anderen um sicher zu gehen.[1] Dies gilt offenbar für die kleinen Dinge im Leben ebenso wie für millionenschwere Anschaffungen. Was aber, wenn die erhoffte Rendite ausbleibt oder sich gar ein Verlustgeschäft anbahnt?

Deshalb sollte man anders an den Kauf von Kunst herangehen als an den von Aktien z.B. Kauft man Kunst, so sollte man das oder die Werke gerne um sich haben. Jeden Tag geht man dann mit Freude daran vorbei, und erst in zweiter Linie freut man sich über den Wertzuwachs über die Jahre oder lächelt den Verlust weg, da man ja das Stück zur eigenen Freude immer noch hat. Ist das Objekt jedoch als Anlage gekauft und man hängt es auf, so geht man jedes Mal mit dem Blick des Händlers daran vorbei und ärgert sich vielleicht wochen- oder jahrelang über den verlustreichen Kauf und hat damit einen erheblichen „Lust-Verlust“.

Natürlich gibt es die Beispiele, wo Sammler einen jungen Künstler für sich entdeckten und dessen Werke Jahre später anerkannt und entsprechend teuer auf dem Kunstmarkt gehandelt wurden. Dies gilt auch für den Bereich, den ich überblicken kann, den der historischen Plakate.

Wer Ende der 1960er Jahre deutsche Plakate aus der Zeit zwischen 1900 und 1914 kaufte, weil sie ihm gefallen haben, der darf heute bei einigen seltenen Blättern (z.B. das Manoli-Plakat von Lucian Bernhard) auf eine Wertsteigerung von rechnerisch rund 8000% blicken.[2] Aber dies sind nichtkalkulierbare Ausnahmen. Denn als Mitte der 1970er-Jahre der Plakathandel in Schwung kam, da waren es die Plakate von Toulouse-Lautrec, Alphonse Mucha und die der Wiener Secession, die die Preise bestimmten. Erst Mitte der 1980er-Jahre fiel dann der Blick auf die deutschen Plakate, und sie erzielten im Spitzenbereich auch international hohe Ergebnisse. Der Sammler, der das Manoli-Plakat Ende der 1960er-Jahre gekauft hat, besitzt es übrigens immer noch und wird es wohl auch nicht mehr missen wollen – der „Lustfaktor“ eben.

Also Kunst als Wertanlage? Aber nur, wenn man auch Spaß daran hat und den eventuellen Verlust klaglos hinnehmen kann. In allen anderen Fällen gilt das gleiche wie für Leerverkäufe oder Warentermingeschäfte: Hoch riskant.

Grohnert, René: Kunst als Wertanlage?, in: Auktionshaus an der Ruhr (Hrsg.): Kunstauktion 29 (März 2014), Mülheim 2014.

[1]    Vor vielen Jahren bekam ich in einem Kaufhaus folgenden Dialog zu hören:
Kundinin: „Ich hätte gerne Osterdeckchen zum Besticken.“
Verkäuferin: „Da haben wir sehr viele schöne Stücke.“ (legt sie vor)
Kundin: „Mmm, Aha“ (schaut unsicher)
Verkäuferin: „Diese hier wird gerne genommen.“
Kundin: „Dann nehme ich auch diese.“
[2]    Z.B. Die „Manoli-Schachtel“ von Lucian Bernhard aus dem Jahre 1910, die man Ende der 1960er für rund 300 DM kaufen konnte, ging in den 1990iger Jahren mit 1200 Euro, im Jahr 2013 mit 12.000 Euro durch eine Auktion.