Der Ankündigungspavillon – Vom Ursprung der Werbung auf der Wiener Ringstraße

Ringstraße mit Blickrichtung Rathaus und Universität. Links im Bild das Parlament. Fotograf unbekannt, um 1882, Abb.: Österreichische Nationalbibliothek

Die visuelle Kommunikation im öffentlichen Raum kam im Zuge des Baus der Wiener Ringstraße nur langsam in Schwung. Bei großen Bauprojekten wurde die Baustelle verplankt, vor allem ringstraßenseitig. Beim Bau der Hofoper kann man auf den Fotografien aus der Zeit um 1865 erkennen, dass die hölzerne, blickdichte Baustellenabdeckung fast gänzlich jungfräulich blieb und kaum Kundmachungen oder werbliche Plakate angebracht waren. Nur einige Ankündigungen zu den beliebten Konzerten in den Vorstädten und Vororten machten die Ausnahme. Möglicherweise war diese Wildplakatierung für populärkulturelle Veranstaltungen vor dem künftigen Tempel der Hochkultur eine subtile Intervention mit ironischem Background.

Wien 1, Oper, Front Kärntnerstraße, um 1865
Wien 1, Oper, Stirnfront, um 1865

Beim Bau des Rathauses ist um 1878 der Bauzaun bereits unregelmäßig mit Textplakaten affichiert. Hier deutet noch nichts darauf hin, dass diese werblichen Maßnahmen von einer Plakatierungsanstalt kommerziell verwertet wurden.

Wien 1, Rathaus, Eck aus Richtung Universität, um 1878

Hingegen ist beim Bau des Reichsratsgebäudes auf den Fotos aus der Zeit um 1882 bereits die gesamte Länge des Bauzauns entlang der Ringstraße für werbliche Zwecke genutzt. Unzählige Text- und Bildplakate scheinen einer gewissen Ordnung folgend auf der hundertfünfzig Meter langen und drei Meter hohen Wand affichiert worden zu sein. Hier wird man wohl mit Recht bereits eine Plakatierungsgesellschaft als Arrangeur vermuten. Auf der Bautafel, die die Plakatwand überragt, kann man allerdings nur „Bau des Reichsrathsgebäudes“ lesen.

Wien 1, Ringstraße, links im Bild das Parlament, rechts im Bild das Baugerüst des Burgtheaters, um 1882

Bei den beiden Fotografien von Burg- und Kärntnerring (um 1865 bzw. um 1876) sind nur vermeintlich Litfaßsäulen erkennbar. Die gab es damals noch nicht. Zu sehen sind sogenannte oktogonale „Ankündigungspavillons“ aus Gusseisen mit einem verzierten Kuppeldach, die eigentlich Kioske sind. Sie waren innen hohl und hatten einen Zugang für einen Verkäufer. Dort konnte man Zeitungen, Theaterkarten und teilweise auch Blumen erwerben. Auf der Außenseite waren sie mit Hinterglaswerbung und einer Uhr bestückt. Die Stadterweiterungskommission hatte dem Gemeinderat im Februar 1866 die Aufstellung von sechs Pavillons auf der Ringstraße empfohlen. Beim Kiosk vor den Gartenbausälen, der auf einem Foto aus der Zeit um 1870 zu sehen ist, kann man eine Werbung für Velocipede erkennen. Wohl die früheste Reklame für Fahrräder in Wien. Mit der Etablierung der Litfaßsäulen Ende 1880er Jahre verschwanden die Pavillons wieder.

Wien 1, Gartenbaugesellschaft, Blumensäle. Schrägansicht von links über die Ringstraße,
um 1870

Wenn man es überspitzt formulieren möchte, kann man behaupten, dass es in der Geschichte der Ringstraße genau ein Jahr gab, in dem der bedeutendste Boulevard der Donaumetropole werbefrei blieb. Nämlich von der offiziellen Eröffnung der Ringstraße am 1. Mai 1865 bis zur Aufstellung des ersten Ankündigungspavillons im Folgejahr. Im Vergleich zu São Paulo, hätte da Wien einigen Aufholbedarf. Die Paulistas kommen bereits seit neun Jahren ohne Straßenwerbung aus.