Das Hammerbrot-Schlaraffenland

Hammerbrot-Signet, um 1927

Wenn Werbung sich an Kinder als Zielgruppe richtet, um damit auch deren Eltern als Käuferschicht zu erreichen, so ist dies eine Strategie, die einer kritischen Erörterung bedarf. Nun hat sich der stets für innovative Forschungsansätze bekannte Literaturwissenschaftler Murray G. Hall in einem Artikel für „libri liberorum“, die „Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung“, einer interessanten historischen Facette dieses Themas gewidmet.

Hall fand in der Universitätsbibliothek Wien eine Kinderzeitschrift, die in der Zwischenkriegszeit von den Wiener „Hammerbrotwerken“ herausgegeben wurde und über die Schiene der Unterhaltung einer dauerhaften KundInnenbindung dienen sollte. Diese Strategie war durchaus nichts Ungewöhnliches: „In den 1920er- und 1930er-Jahren“, so Hall, „kam es neben den kommerziell orientierten Publikationen in Deutschland und vor allem Österreich zur Gründung einer Vielzahl von Kinderwerbezeitungen bzw. Kinderwerbezeitschriften unterschiedlichen Geschäftsmodells.“

Die seit 1909 bestehende Hammer-Brotfabrik gehörte zu den größten Unternehmen ihrer Art in Österreich und entfaltete auch eine entsprechend aufwendige Reklame. 1937 kamen die Werbeleute der Firma auf die Idee, ein „lustiges Kinderblatt“ herauszubringen, um – wie Hall schreibt – „aus den kleinen Konsumenten von heute die Käufer von morgen heranzuzüchten“. So etwa wurde in den meisten Ausgaben insbesondere für das kinderaffine Süßgebäck „echte Hammer-Kolatsche“ – eine typische Wiener Spezialität – geworben. Der Name der Zeitschrift, die von 1937 bis 1939 in 42 Ausgaben erschien, lautete „Das Hammerbrot-Schlaraffenland“. Die Hefte waren durchgehend reich illustriert und von kompetenter Hand gezeichnet: Als einen der Urheber konnte Hall den Wiener Grafiker Karl Bannert (1895–1966) ausfindig machen.

Cover aus den Jahren 1937 und 1953: Die Signatur P. beim rechten Heft, steht – wie Hall nach Publikation des Artikels herausfand – für Peter Paul Prinz (Jg. 1925)

Wie die Kinder gezielt auch auf die Plakatwerbung der Firma hingewiesen wurden, beweist ein großes „Ferien-Preisausschreiben“ vom Sommer 1937, das mit folgenden Worten angekündigt wurde: „Ihr habt auf den Straßen und Plätzen schon alle die vielen Plakate gesehen, mit denen die Hammerbrotwerke ihre verschiedenen Erzeugnisse bekanntmachen. Nun könnt ihr ja alle bestimmt sehr gut zeichnen und mit Bleistift, Pinsel und Farben umgehen. Die Aufgabe, die ihr als Ferien-Beschäftigung sicher gerne lösen werdet, besteht nun darin, daß ihr darüber nachdenkt, wie ihr ein Plakat für das gute und bei euch so beliebte Hammerbrot zeichnen würdet. Überlegt euch das recht gründlich, und wenn ihr eine gute Idee habt, so zeichnet einen Entwurf für das von euch erfundene Plakat. Sicher werden viele von euch recht nette neue Einfälle haben!“

Nach dem Krieg, ab März 1951, griffen die „Hammerbrotwerke“ noch einmal die Idee der Zeitschriften-Goodies für Kinder auf und brachten als Nachfolgerin des „Hammerbrot-Schlaraffenlandes“ das Magazin „Kleine Hammerwelt“ heraus, das dann im Juni 1954 wieder eingestellt wurde. Dazu abschließend Murray G. Hall: „Das kosten-, aber wohl nicht selbstlose Blatt für kleine Leser hat seinen Zweck insofern erfüllt, als es über mehrere Jahre lustige Unterhaltung bot, Kundenbindung förderte und dazu beitrug, dass sich die Marke Hammerbrot im Gedächtnis der Kunden von morgen fest verankerte.“

Die Marke Hammerbrot hatte bis 1970 Bestand, dann wurde die Firma von Ankerbrot übernommen.

Hall, Murray G.: „Wo holst du dir das nächste Heft? Im nächsten Hammerbrot-Geschäft!“ Zu einem österreichischen Kinderblatt der 1930er und 1950er Jahre, in: libri liberorum. Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung, 2014/44, S. 43 – 51.