Gustav Mezey – revisited

Gustav Mezey, 1950er Jahre (© Schubert/Payer)

Vorab ein Bedauern: Gustav Mezeys Leben und Werk sind bisher kaum aufgearbeitet. Selbst in Anita Kerns fundiertem Überblickswerk „Österreichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert“ wird er mit keinem Wort erwähnt. Dies mag zum einen daran liegen, dass Filmplakate – Mezeys Domäne – lange Zeit als künstlerisch zweitrangiges Grafikgenre galten; zum anderen daran, dass sich der umfangreiche Nachlass, der neben Entwürfen für die Film- und Kinobranche auch solche für Produktreklame und Geschäftsportale sowie zahlreiche Aktzeichnungen und Fotos enthält, in privaten Händen befindet. Erste Einblicke in denselben sowie Erinnerungen von Zeitgenossen vermitteln uns nichtsdestoweniger ein schillerndes Bild des kongenialen Allround-Grafikers.

Geboren wurde er am 10. September 1899 als Gustav Masirević in der Kleinstadt Sombor, damals zu Südungarn, heute zu Serbien gehörig. Schon mit einem Jahr verlor er seine Mutter, mit drei Jahren seinen Vater, der Grundbuchführer in der Stadt gewesen war.

Früh manifestierte sich Gustavs künstlerische Begabung. Seine Begeisterung für das Zeichnen war bald allseits bekannt. Bereits mit zwölf Jahren verließ er die Volksschule und ging bei dem bekannten, in Sombor ansässigen Kunst- und Schildermaler Lajos Steiner in die Lehre. Drei Jahre später folgten weitere Ausbildungsstationen in Szeged, wo er die Kunstgewerbeschule besuchte, und schließlich in Budapest, wo er sich an der Akademie für angewandte Kunst einschreiben ließ – und im November 1917 den ungeliebten Namen seines Onkels ablegte und künftig „Mezey“ nannte.

Danach kehrte er wieder in seine Heimat zurück und arbeitete als Grafiker und Zeichner bei diversen Firmen in Osijek, absolvierte einen Kurs für moderne Fotografie, und erhielt als freier Werbegrafiker erste lukrative Aufträge. 1925 übersiedelte er nach Wien. Eine Schilderfabrik an der Rossauer Lände  wurde zu seinem ersten Arbeitgeber. Daneben belegte er Abendkurse an der Akademie für angewandte Kunst und an der Kunstgewerbeschule.

Im Jahr 1936 war es dann soweit: Mezey eröffnete im Bezirk Landstraße sein „Kunstgewerbe-Atelier für neuzeitliche Reklame“. Wie breit gefächert sein Portfolio war, geht aus den Angaben auf seiner Visitenkarte hervor: Entwürfe und Ausführungen von Schildern, Metallbuchstaben, Lichtreklame, Ölannoncen, figurale Malerei, Schaufensterreklame, Email-, Glas- und Papierplakate, Geschäftswagen-Beschriftungen. Die Auftragslage entwickelte sich prächtig. Rasch hatte sich Mezeys Talent herumgesprochen. Werbeplakate, Etiketten und Packungsentwürfe entstanden, u. a.  für Produkte von Humanic, Bally, Odol, Persil, Recheis, Manner oder Meinl; zusätzlich gestaltete er auch Geschäftsportale.

Neben der Produktwerbung waren Plakate für Theater, Kabaretts und Kinos zu seinem wichtigsten beruflichen Standbein geworden. Vor allem die Anfertigung von Filmplakaten wurde rasch zu seiner Domäne, in der er einen unverkennbaren Stil entwickelte. Hier erreichte er schon bald eine Bekanntheit, die jene seiner Kollegen weit überragte.

Hauptgrund dafür war seine ausgefeilte Technik, die ihm eine detailgenaue Wiedergabe der porträtierten Stars ermöglichte, zwar oft mit ungewohnt expressionistischen Farbkombinationen und eigenwilligen Lichteffekten, jedenfalls aber mit starker Ausdruckskraft und daher großer Werbewirkung. Als erster arbeitete Mezey mit einem Luftpinsel, den er sich selbst gebaut hatte und dessen genaue Handhabe er streng geheim hielt. Bisweilen zeichnete er auch feine Rasterlinien ein, mit denen er die Wirkung verfremdete und weiter steigerte.

Ob Zarah Leander, Gina Lollobrigida, Sophia Loren, Marlene Dietrich, Catherine Deneuve, Marika Rökk, Nadja Tiller, Romy Schneider, Hans Moser, Paul Hörbiger oder Theo Lingen, fast alle bekannten nationalen und internationalen Filmstars der Nachkriegszeit waren in Mezeys Atelier „zu Hause“. Auftraggeber waren zum einen die Wiener Kinos selbst, darunter so wichtige  Premierenkinos wie „Apollo“ oder „Gartenbau“. Zum anderen die damaligen österreichischen, deutschen, französischen, englischen und natürlich US-amerikanischen Filmfirmen wie Sascha, UFA, Bavaria, Terra, Rank, Warner Bros. oder MGM. Vor allem letztere setzten in ihrer Filmwerbung fast ausschließlich auf das Starsystem, ein Trend, der Mezeys Porträtkunst voll entgegenkam.

Mezeys Ruf verbreitete sich in ganz Europa. Denn nicht nur in Wien prägten seine Plakate das Stadtbild, auch in Budapest, Belgrad, Berlin, Leipzig oder München waren seine charakteristischen Pinselstriche zu sehen. Und sogar in Hollywood war er schon bald derart bekannt, dass MGM-Filmproduzent Samuel Mayer ihn Mitte der 1960er Jahre einlud, dort zu arbeiten. Mezey lehnte jedoch ab, fühlte sich bereits zu alt dazu.

Das Ende kam abrupt. Als er im Alter von 76 Jahren bei der Arbeit an einem überdimensionalen Filmplakat von der Leiter fiel, leitete dies das Ende seiner Karriere ein. Eine Fußverletzung zwang ihn ins Krankenhaus, nach seiner Genesung wurde eine Rückkehr in das Atelier aus gesundheitlichen Gründen untersagt. Am 9. April 1981, starb er, resigniert und einsam, ohne die Stätte seines Wirkens je wieder betreten zu haben.

Sein Nachlass konnte in einer Schnellaktion gerettet werden. Eine wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung und Präsentation wäre ein Gebot der Stunde. Ausstellungen, die in Wien (1984), Boston (1997) sowie zuletzt in Sydney (2005) mit großem Erfolg stattfanden, belegen die ungebrochene Anziehungskraft für Mezeys Werke und deren höchste internationale Anerkennung.

Weiterführende Literatur:
Peter Payer: Gustav Mezey (1899–1981)