Galerie der Straße

Hermann Kosel, Illustration für Plakat und Katalogcover zu „10 Jahre Plakatwertungsaktion des Kulturamtes der Stadt Wien“ (Alle Abbildungen in diesem Beitrag: ©Stadt Wien)

„Im eigentlichen Sinne eine Plakatstadt, verfügt nicht so bald eine Metropole über eine solche Fülle von Plakatanschlagflächen wie Wien. Erfahrungen, die auf Jahrzehnte zurückgehen, lehren, daß es eine ‚Plakatkultur‘ durchaus geben kann.“ Dieses Statement stellte der Wiener Kulturstadtrat Hans Mandl 1961 an den Anfang des Ausstellungsprojektes „Galerie der Straße. 10 Jahre Plakatwertungsaktion des Kulturamtes der Stadt Wien“.[1]

Anfang des Jahres 1951 hatte der Wiener Gemeinderat eine Plakatwertungsaktion beschlossen. Die Begründung dafür lautete in schöner Offenheit: „Die Erfahrungen und Beobachtungen haben ergeben, dass eine Beeinflussung der in Wien affichierten Plakate deshalb wünschenswert wäre, weil die Mehrzahl der zum Druck gelangenden Entwürfe sich weit unter einem künstlerischen Niveau und auch weit unter dem der europäischen Großstädte befindet.“[2] Als positives Beispiel, dem man nacheifern wollte, wurde in diesem Zusammenhang die Schweiz genannt.

Eine Jury sollte monatlich die drei besten aktuellen Plakate auswählen, daraus dann vierteljährlich wiederum die drei besten, und am Ende des Jahres galt es, die drei besten Plakate des gesamten Jahres zu nominieren. Im Verlauf der Aktion wurde, wie so oft bei ähnlichen Preisen, der Antagonismus von künstlerischem Anspruch und populärer Verkaufsförderung immer wieder deutlich. Bereits im Dezember 1951 protestierte eine Gruppe anerkannter Grafiker, wie Hans Fabigan, Hermann Kosel oder Victor Th. Slama, gegen die Prämierung eines im realistischen Stil gehaltenen Plakates von Else Czulik mit dem Appell, dass die „zu prämierenden Plakate nach kulturellen und nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt werden“ sollten.[3] Sinn der Plakatwertungsaktion war es nach Aussage von Stadtrat Hans Mandl jedoch auch, „Brücken zu bauen“ zwischen einem hohen künstlerischen Anspruch in der Gestaltung und den werbewirtschaftlichen Forderungen der Auftraggeber.[4]

Am 2. Juni 1961 wurde auf dem Platz vor dem Palais Schwarzenberg zur Feier des 10-jährigen Jubiläums der Aktion die Plakatausstellung „Galerie der Straße“ eröffnet. Wie man sich im dazu erschienenen Begleitbuch überzeugen kann, war das Ergebnis dieser Aktion durchaus sehenswert. Alle bekannten Grafikernamen aus Österreich, wie Joseph Binder, Otto Exinger, Hans Fabigan, Hermann Kosel, Othmar Motter, Victor Th. Slama oder Arthur Zelger, waren da zu finden. Die VertreterInnen eines populären „amerikanisch-realistischen Stils“, wie Paul Aigner, Gerhard Brause oder Else Czulik, kamen hingegen nur selten zum Zug. Aber auch die Arbeiten international tätiger Grafiker, wie Donald Brun, Jean Colin, Herbert Leupin, Celestino Piatti, Viktor Rutz oder Raymond Savignac, finden sich in der Liste der prämierten Arbeiten. Generell gesehen war aber der Frauenanteil unter den Geehrten sehr gering, was sicher nicht einer mangelnden Qualität der Grafikerinnen geschuldet war, sondern vielmehr die allgemeinen Arbeitsbedingungen von Frauen in den 1950er Jahren widerspiegelt.

In der Freilichtausstellung wurde neben den prämierten Wiener Plakaten des vergangenen Jahrzehnts auch eine Auswahl von 200 internationalen Beispielen gelungenen Grafikdesigns präsentiert.

Allerdings bemängelte der frühere, stets konstruktiv-kritische Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka in einem Schreiben an das Kulturamt die schlechte Sichtbarkeit der Ausstellung von außen: „Gerade der Begriff ‚Galerie der Straße‘, würde dazu anleiten, daß von der Straße her eine magnetische Kraft zur Ausstellung hin treibt. Schade, im Verborgenen ist eine Riesenanlage, die sicherlich nicht wenig gekostet hat, etabliert und vom Hochstrahlbrunnen her, wo gerade jetzt sehr viele Leute vorbeikommen, macht überhaupt nichts auf die Freiluftgalerie aufmerksam.“[5]

Darüber hinaus störte Matejka auch der Termin der Eröffnung am Vormittag des 2. Juni. Doch es war auch sonst einiges los in jenen Tagen in der österreichischen Bundeshauptstadt: So kamen am 3. und 4. Juni 1961 der sowjetische Ministerpräsident Nikita Sergejewitsch Chruschtschow und der amerikanische Präsident John F. Kennedy zu einem Gipfeltreffen in Wien zusammen.

[1] Galerie der Straße. 10 Jahre Plakatwertungsaktion der Stadt Wien, Wien 1961, S. V.
[2] Zit. nach: König-Rainer, Julia: Die Plakatwertungsaktion der Stadt Wien 1951–1961. Unter besonderer Berücksichtigung der Bestände der Wienbibliothek, Wien 2008, S. 6.
[3] Ebenda, S. 12f.
[4] Siehe Fußnote 1.
[5] Siehe Fußnote 2, S. 26f.