George Karau

George Karau, Detail aus einem Inserat in der Zeitschrift „Moderne Welt“, 1919

„Das Hauptpropagandamittel ist das Plakat. Es trete mit den wichtigsten Mitteln an jeden heran. Es spricht für jedermann, ob er Zeit hat oder nicht, darum sei es auf die größte Einfachheit in Wort und Bild gerichtet, damit es schnell überblickbar und auf große Entfernungen noch wirksam ist.“ So formulierte George Karau die Forderungen an ein wirkungsvolles politisches Plakat. Er tat dies in einem Artikel im Rahmen der Bildungsarbeit der Sozialdemokratischen Partei im Zuge der Vorbereitungen für den österreichischen Nationalratswahlkampf im Oktober 1920.[1]

Ein Jahr davor waren George Karau mit seinen zwei Wahlplakaten „Mütter!! denkt an Eure toten Söhne“ und „Die Toten rufen!“ Arbeiten gelungen, die in ihrer formalen Eleganz und inhaltlichen Wirkungskraft wenig Vergleichbares in der politischen Bild-Propaganda der Zwischenkriegszeit hatten. Vielleicht aber waren die feinen Zeichnungen von Karau zu anspruchsvoll für seine Partei: Denn 1920 dominierte Mihály Biró mit seinem dynamisch-expressiven Agitationsstil die Wahlplakate der Sozialdemokraten, ab 1923 war es dann Victor Th. Slama, der mit einer von Biró beeinflussten Formensprache die Wahlkämpfe der Linken beherrschte. Karau blieb dennoch der sozialdemokratischen Bewegung in vielfältiger Form als Grafiker, Architekt, Vortragender und Publizist verbunden.

George Karau, Plakate für die Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919

Geboren wurde das Multitalent am 24. Juni 1876 in Berlin. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er in seiner Geburtsstadt und später in Amsterdam. Um 1911 war er in Reichenberg in Böhmen als Architekt und bildender Künstler tätig. Früh beschäftigte er sich auch mit der Illustration von Büchern, wie seine Arbeiten für den sozialkritischen Autor Alfons Petzold zeigen.

Ab 1914 lebte Karau in Wien, wo er ein eigenes Atelier gründete und sich fortan der Architektur, aber auch angewandter Grafik, insbesondere der Werbegestaltung, widmete. Er arbeitete für verschiedene sozialdemokratische Publikationen, so etwa lieferte er Karikaturen für „Die Glühlichter“ und verfasste Artikel für die Illustrierte „Der Kuckuck“ und die Frauenzeitschrift „Die Unzufriedene“. Außerdem entwarf er das Cover für die Monatsschrift „Der Kampf“. Engagiert tätig war er auch im Bereich der Bildungsarbeit der Sozialdemokratischen Partei, für die er Vorträge zu kulturtheoretischen Themen hielt. Besonderes Interesse hatte er, als Sohn eines Schneiders, für diverse Fragen aus dem Bereich der Bekleidung, wie seine Vorträge „Kultur und Mode“, „Wohnung und Kleidung“ oder „Kleidung und Sozialismus“ beweisen. 1919 gestaltete Karau auch die Kostüme und die Dekorationen für eine Performance mit „Dichtungen des Orients“, die seine Frau, die Schauspielerin und Vortragskünstlerin Elise Karau unter anderem im Wiener Konzerthaus und im Innsbrucker Musikverein präsentierte. In jenem für George Karau überaus ergiebigen Jahr sorgte er auch für das Design nahezu aller Inserate der Wiener Illustrierten „Moderne Welt“. Von 1919 bis 1926 war er Mitinhaber der Firma „Werkstätten Karau–Wien“, die auf Handel und Erzeugung von kunstgewerblichen Gegenständen spezialisiert war.[2]

George Karau, Inserate für die „Moderne Welt“, 1919

Neben seinen gebrauchsgrafischen Arbeiten konnte Karau auch als Architekt eine Reihe von Projekten verwirklichen. Von 1922 bis 1924 war er Chefarchitekt im Baubüro des Hauptverbandes für Siedlungswesen, für den auch Margarete Schütte-Lihotzky sowie Hans und Wilhelm Waloschek tätig waren. Karau entwarf zahlreiche Häusertypen für den Verband und leitete die Planung einer städtischen Wohnhausanlage. Die Wirtschaftskrise und die Zuspitzung der politischen Verhältnisse in den frühen 1930er Jahren setzten seinen beruflichen Erfolgen jedoch ein Ende. Am 14. April 1936 verstarb George Karau verarmt in Wien. 

[1] Blätter für das Bildungswesen der Deutschösterreichischen Sozialdemokratie, Oktober 1920, Sondernummer, S. 14.
[2] Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsregister A 43/214. Vgl. dazu auch: Bogner, Franz M.: Werkstätten Karau. Kostbarkeiten der wilden 20er, Wien.

Aktualisierte Fassung vom 4.11.2022