Der Beginn der modernen Konsumkultur

Die Lichtkuppel des Pariser Warenhauses „Printemps“ (Alle Fotos: B. Denscher)

Im Jahr 1852 wurde in Paris mit „Au Bon Marché“ das wahrscheinlich erste Warenhaus der Welt eröffnet. Die damit verbundene neuartige Inszenierung des Konsums war ein deutlicher Indikator für die grundlegenden sozialen und ökonomischen Veränderungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Spätestens mit der Industrialisierung hatten die jahrhundertealten Feudalstrukturen dramatisch an Bedeutung eingebüßt. Der Adel verlor seinen Rang als führende Macht, Bourgeoisie und Proletariat wurden zu den bestimmenden Kräften der Gesellschaft.

Die industrielle Massenproduktion bedurfte neuer Vertriebswege, die darüber hinausgingen, die Bevölkerung mit den notwendigen Gütern zu versorgen, sondern die auch geeignet waren, neue Bedürfnisse zu schaffen, um die Verkaufszahlen und damit die entsprechenden Gewinne zu erhöhen. Warenhäuser als „Kathedralen des Konsums“, wie Émile Zola sie nannte, waren dafür ein effektives Instrument. Marketing- und Promotionsstrategien, die bis heute Bestand haben, wurden damals kreiert.

Ein wesentliches Element der Absatzförderung war dabei ein durch die spektakuläre Architektur der Gebäude angebotenes spezielles „Einkaufserlebnis“. So wurden in Paris in relativ kurzer Zeit nach dem Vorbild von „Au Bon Marché“ eine Reihe von „Magasins“ eröffnet: „Les Grands Magasins du Louvre“ (1855), „Le Bazar de l’Hôtel de Ville” (1856), „Printemps“ (1865) und „La Samaritaine“ (1870).  Das größte Warenhaus von Paris, die „Galeries Lafayette“, starteten erst um 1895. Andere Metropolen der westlichen Welt folgten bald dem französischen Beispiel.

Derzeit ist im Pariser „Musée des Arts décoratifs“ zu diesem Themenbereich die Ausstellung „La naissance des grands magasins. Mode, design, jouets, publicité, 1852-1925” zu sehen. In klug zusammengestellten Displays werden darin mit kompetent ausgewählten Originalobjekten die verschiedenen Aspekte des Beginns der modernen Konsumkultur dargestellt. Der Weg in die französische Wirtschaftsgeschichte beginnt mit einer Einführung in die allgemeine Situation im „Zweiten Kaiserreich“: Erstarken des Bürgertums, moderne Stadtentwicklung, Verbreitung der Eisenbahn, industrielle Revolution und neue Freizeitmöglichkeiten werden dabei erörtert. Eigene Kapitel sind „Unternehmerschaft und Angestellte“, „Demokratisierung der Mode“, „Ausverkauf und Ausstellungen“, „Kinder als neues Marketingziel“, „Versandhandel“, „Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes de 1925“ sowie „Maurice Dufrène und sein Designstudio La Maîtrise in den Galeries Lafayette“ gewidmet.


Historischen Originalplakaten wird in der Ausstellung ein großer kunst- wie kulturhistorischer Wert eingeräumt, denn grafisch gestaltete Verkaufskataloge sowie Affichen waren wesentliche Elemente des Warenhausmarketings. Die angesehensten französischen Grafiker, wie etwa Jules Chéret, Eugene Grasset oder Léonetto Cappiello, wurden dafür engagiert.

Amélie Gastaut, die Kuratorin der Schau, bringt in ihrem Beitrag für den  Ausstellungs-Katalog die Innovationskraft der französischen Plakatentwicklung auf den Punkt: „Neben dem Umbruch durch die Perfektionierung der Lithografie veränderte das moderne Plakat, angeführt vom Grafiker und Lithografen Jules Chéret, die Bilderwelt der Werbung durch die Verwendung einer allegorischen Figur, die ein Produkt verkaufen sollte, meist eine Frau, sowie durch die Suche nach visueller Effizienz mit vereinfachten Linien und der Verwendung von klaren, flächigen Farben, die mit Gegensätzen von Tönen spielen. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Plakat zur Straßenkunst.“

Die Ausstellung ist bis 13. Oktober 2024 im „Musée des Arts Décoratifs“ zu sehen und findet vom 16. Oktober 2024 bis zum 16. März 2025 eine thematische Fortsetzung in der Pariser „Cité de l’architecture et du patrimoine“.

Gastaut, Amélie (Ed.): La naissance des grands magasins 1852–1925: mode, design, jouet, publicité, Paris 2024.

Musée des Arts décoratifs