Der Kampf mit dem Drachen

Detail eines Plakates von Maxilmilian Lenz, Österreich, 1917

Das Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde im Jahr 2014 in Europa in sehr unter­schied­licher Intensität begangen. Während sich in Österreich im Wesentlichen nur die Bundesländer für eine ent­sprechende Erinnerungsarbeit zuständig fühlten, wie etwa die vorbildlichen Aktivitäten der Wienbibliothek oder der Niederösterreichischen Landesausstellung zeigten, boten Deutschland und Großbritannien eine Reihe von bemerkenswerten Initiativen. So etwa präsentierten das Deutsche Historische Museum in Berlin und das Londoner Imperial War Museum umfassende Ausstellungen und publizierten dazu entsprechende qualitätsvolle Kataloge.

Leonard Raven-Hill, Rekrutierungsplakat, 1914 Anonym, Rekrutierungsplakat, Mai 1915

Leonard Raven-Hill, Rekrutierungsplakat, 1914                                   Anonym, Rekrutierungsplakat, Mai 1915

 

In Großbritannien erschien darüber hinaus noch eine Fülle von hervorragenden Publikationen zu Ursachen und Verlauf des Ersten Weltkrieges, wobei die weltweit positiv rezipierte Studie „The Sleepwalkers“ von Christopher Clark nur eine von vielen ist. Auch den Plakaten der Zeit wurde entsprechende Beachtung gegeben. So sind im Gedenkjahr sogar zwei unterschiedliche Bücher unter demselben Titel, nämlich „Posters of the First World War“, herausgekommen: Neben der Arbeit von Nigel Steel und Richard Slocombe mit Material aus dem Imperial War Museum haben David Bownes und Robert Fleming ein ebenso handliches wie intelligentes Büchlein in Kooperation mit dem National Army Museum vorgelegt. Die beiden Letztgenannten haben in ihrer Publikation über 70 Plakate vorbildlich ediert und mit erläuternden Fachkommentaren versehen. In ihrer Einleitung geben Bownes und Fleming einen konzisen Überblick über die Entwicklung des Mediums während des Ersten Weltkrieges. Ein Zitat aus dem „Manchester Guardian“ aus dem Jahr 1915 gibt dazu eine anschauliche Vorstellung von der durchdringenden Wirkung des Mediums Plakat während des „Großen Krieges“.

It is impossible to escape the war posters. They grip you everywhere. They assault you from every corner. They take you in the street and in the trains. They threaten, persuade, cajole and frighten. Every taxi-cab cries out at you in forty different [musical] sharps and flats, and the only way out of the noise is to get inside. You look on one hand and you see, ‘If this cap fits you, join at once’. You look on the other, and you are asked what the girls and the grandchildren will think of you if you hold back. Ahead of you Lord Kitchener bars the way with a terrible look and menacing finger, ‘I want you’. The eye is subjected to a ‘blockade’ where everything is contraband but recruiting appeals.
Manchester Guardian, April 1915

Besonders spannend wird das Buch dort, wo es die Affichen der verschiedenen Nationen gegenüberstellt, und frappierend ist dabei der Vergleich eines britischen und eines österreichischen „Drachen-Plakates“.

Maximilian Lenz, Plakat, 1917 Anonym, Rekrutierungsplakat, 1915

Maximilian Lenz, Plakat, 1917                                                                            Anonym, Rekrutierungsplakat, 1915

Es fällt einem schwer zu glauben, dass das britische Plakat nicht das Vorbild für die österreichische Affiche von Maximilian Lenz war. Obwohl es gerade eine Eigenheit der deutschen und österreichischen Welt­kriegs­grafik war, verharmlosende Anklänge an das mittelalterliche Rittertum zu finden, an eine Zeit, in der noch Mann gegen Mann gekämpft wurde, und man damit von der Realität eines Krieges mit industriellen Massen­ver­nichtungs­waffen ablenkte. Die Erscheinungsjahre lassen nur den Schluss einer Anlehnung an das britische Vorbild zu, vor allem auch, da man in Österreich über Publikationen, Ausstellungen und nicht zuletzt über die offizielle Sammeltätigkeit tatsächlich Bescheid über die interne Propaganda der sogenannten „Feindmächte“ wusste.

Beide Drachen-Plakate können in die jahrhundertealte Motivgeschichte des Fabeltieres eingeordnet werden. In der christlichen Ikonographie war und ist der Kampf mit dem Drachen durch Heilige, und zwar Margareta, Michael und vor allem Georg, ein immer wiederkehrendes Motiv. Der Drache war dabei stets ein Sinnbild des Bösen und oft auch des Krieges an sich.

Bownes, David – Robert Fleming: Posters of the First World War, Oxford – New York 2014.