Paul Aigner – Der filmische Blick in der Werbung

Paul Aigner, Plakat für Amazone-Strümpfe, 1954 (Ausschnitt); (Herrn DI Lazaros Papoulis wird für die Genehmigung der Abbildungen von Paul Aigners Arbeiten gedankt)

Paul Aigner schuf sowohl eines der wichtigsten österreichischen Tourismusplakate als auch mit einem Porträt von Konrad Adenauer eines der bedeutendsten politischen Plakate der deutschen Geschichte. Trotz seines Beitrages zur visuellen Kultur beider Länder ist sowohl in Deutschland als auch in Österreich relativ wenig über ihn bekannt.

Paul Aigner wurde am 23. Mai 1905 in Wien geboren. Trotz familiär prekärer wirtschaftlicher Verhältnissen gelang es ihm, sich auf autodidaktischem Weg zu einem der erfolgreichsten Grafikdesigner seiner Zeit auszubilden.

LInks: 1941 / Rechts: 1938

Aus dem Jahr 1931 ist Paul Aigners erstes Plakat erhalten, das den populären Film „Weekend im Paradies“ bewarb. Für lange Jahre waren in der Folge Kino-Plakate Aigners wesentlichster Tätigkeitsbereich. Auch nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland war er im Filmgeschäft tätig. 1940 erreichte Aigner – obwohl kein Mitglied der „Reichskunstkammer“ und kein NSDAP-Mitglied – den zweiten Platz bei einem Plakatwettbewerb zur Bewerbung des Filmes „Die Geierwally“. Erster wurde Hanns Wagula und den dritten Platz erreichte Emmerich Weninger. Alle drei Entwürfe wurden realisiert und zur Bewerbung des melodramatischen Filmes eingesetzt.

Auch Aigner musste zur Deutschen Wehrmacht einrücken und geriet in russische Kriegsgefangenschaft. Spätestens 1947 war er wieder zurück in Wien. Hier begann er eine enge Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei, für die er eine Reihe von Büchern sowie Zeitschriften und später auch Plakate gestaltete. Das aber hinderte ihn nicht daran, ab 1949 regelmäßig für die konservative „Österreichische Volkspartei“ Wahlplakate zu gestalten und allenfalls auch vor der „roten Gefahr“ zu warnen.

Links: 1949 / Rechts: 1948

1948 hatte Paul Aigner einen besonderen Erfolg zu verzeichnen: Bei einem Plakatwettbewerb zur touristischen Bewerbung Österreichs siegte er in der Kategorie Winterplakat mit dem Bild eines lachenden Mädchens, das die Reste eines Schneeballs im Gesicht hat. Darüber hinaus gewann er mit dieser Arbeit auch den Internationalen Wettbewerb für Fremdenverkehrsplakate, der in Paris vergeben wurde. Die Verantwortlichen der „Stelle für den Wiederaufbau der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft“ waren von diesem Erfolg so angetan, dass Aigner ohne weitere Ausschreibung die Aufträge für zwei weitere Plakate erhielt. Bald meldeten sich jedoch kritische Stimmen zu dieser Vorgangsweise zu Wort. So tauchte auch der Vorwurf auf, dass die so hoch dekorierte Arbeit in Wahrheit ein Plagiat sei, weil sie nach der Vorlage eines Zeitschriftenfotos aus dem Jahr 1941 gezeichnet worden war. Der Ehrenbeleidigungsprozess, den Aigner deswegen führte, brachte mit der Verurteilung des Hauptkritikers die Rehabilitation des Grafikers. Denn alle Experten hatten betont, dass die Verwendung von Fotografien bei der Plakatgestaltung üblich sei und nicht dem Tatbestand eines Plagiats darstelle.

Links: 1948 / Rechts: 1951

Bald begann auch das Filmgeschäft wieder zu boomen, und Aigner konnte damit zu seinen künstlerischen Wurzeln, dem Kinoplakat, zurückkehren. Diese Sparte prägte auch andere Bereiche seiner Arbeit, denn genau genommen, brachte Aigner in nahezu alle seine Plakate einen gewissen filmischen Aspekt mit ein. So erzählte, wenn es sich nicht gerade um ein einzelnes Star-Porträt handelte, jedes seiner Plakate eine Geschichte mit visuellen Mitteln.

Links: 1952 / Rechts: 1953

Mit seinem „amerikanisch-realistischen“ Stil – wie man es damals nannte – wurde Aigner auch zu einem der erfolgreichsten Pin-up-Maler Österreichs. Seine diesbezüglichen Arbeiten waren oft mit einer schwülstigen Erotik aufgeladen, die immer wieder in den Sexismus abgleiten konnte. Aigner erhielt vermehrt Aufträge aus den Produktsparten Bademode und Damenunterwäsche, wobei gleich seine erste derartige Arbeit, ein Amazone-Strumpfplakat aus dem Jahr 1951, vom Jugendamt der Stadt Wien verboten wurde.

Ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre begann der Wiener Grafiker für deutsche Illustrierte, wie etwa die „Revue“ oder das Jugendmagazin „Bravo“, als Illustrator zu arbeiten. Damals übersiedelte er auch nach Deutschland und hatte bis zu seinem Lebensende seinen Wohnsitz  in Bayern.

Links: 1963 / Rechts: 1957

Im Jahr 1957 erhielt Aigner den wohl wichtigsten Auftrag seiner Karriere: Für die deutsche Bundestagswahl 1957 schuf er das Porträtplakat für Konrad Adenauer, den amtierenden Kanzler und Spitzenkandidaten von CDU/CSU. Als versiertem Zeichner gelang es ihm, den 81-jährigen Kanzler durchaus realistisch, aber doch etwas verjüngt und mit einem dynamischen Flair darzustellen. Darüber hinaus schuf Aigner ähnliche Porträts für die Plakate weiterer christdemokratischer Kandidaten.

Das Konzept des CDU-Managements war ein kurzer, aber intensiver Wahlkampf – Medien sprachen von der größten „Propagandalawine“ der Nachkriegszeit. Laut Uwe Kitzingers Studie über den Wahlkampf 1957 wurden von CDU/CSU „mindestens 10 Millionen Plakate“ affichiert. Die Strategie war von beachtlichem Erfolg gekrönt: CDU/CSU erreichten mit 50,2% das bis heute beste Ergebnis eines Wahlwerbers bei einer deutschen Bundestagswahl und erzielten damit auch das einzige Mal eine absolute Mehrheit.

Bis auf ein paar Ausnahmen hatten die handgezeichneten Grafiken auf Plakaten und in den Magazinen in den 1960er Jahren ausgedient. Agenturen, die vor allem mit Fotografen arbeiteten, hatten in relativ kurzer Zeit die Herrschaft über die Werbeszene übernommen, und Fotografien kamen auch den Illustrierten billiger. Da blieb für einen alleine agierenden Grafiker wie Aigner wenig Raum übrig. In der Folge war er mit konservativ-nostalgisch gehaltenen Ölgemälden auf einem lokalen, aber durchaus lukrativen bayrischen Kunstmarkt recht erfolgreich. Am 19. Oktober 1984 verstarb Paul Aigner in Chieming am Chiemsee.

Weiterführende Literatur:
Bernhard Denscher, Paul Aigner – Von Konrad Adenauer, Pin-ups und Kommunisten, in: Preis des Deutschen Plakat Museums, Essen 2017, S. 18–61.