Joseph Roth: Jupp-Wiertz-Ausstellung

Jupp Wiertz, Plakat für den Film „Arme Thea“, 1919 (Ausschnitt)

Bei Meißner u. Buch in der Potsdamer Straße 31a sind Jupp Wiertzsche Plakate, Zeichnungen, Gemälde ausgestellt. Jupp Wiertz, ein junger Künstler, von vielen geschätzt, der breiten Öffentlichkeit aber bis jetzt weniger zugänglich, tritt mit vielen guten Arbeiten in die Reihe der ersten Zeichner Berlins. Seine Plakate und Gebrauchsgraphiken sind Plakate und erfüllen den praktischen Zweck, ohne unkünstlerisch zu werden. Verve, Stil und maßvoll gebändigte künstlerische Laune in jedem Gegenstand, den Wiertz zeichnet: eine Seifenschachtel, eine Dose, eine Alltäglichkeit. Vielleicht ist hier zum erstenmal das Problem, das jeden Künstler, der verdienen muß, beschäftigt, glücklich gelöst: Wie ein auf Wirkung, also intellektuelle Pointe, berechnetes Werk geschaffen werden kann, ohne daß das Gewissen des Schöpfers beunruhigt wird.

In Bildern, Buchzeichnungen, Landschaften[,] Menschen zittert bewußt gezüchteter Instinkt für Interessantes in Licht, Luft, Linie; lebt Originalität in der Komposition und ein, fast Jean Paulsches schelmisches, verschmitztes Zustutzen der Dinge auf witzige Wirkung.

Die Ausstellung hat lebhaften und guten Besuch aufzuweisen.

Neue Berliner Zeitung – 12-Uhr-Blatt, 8.2.1921, S. 3.
Der Herausgeber dankt Helmut Peschina und Rainer-Joachim Siegel für den Hinweis auf diesen Text.
 
Literatur:
Die Femme fatale im Tempo der Großstadt : der Meister-Designer Jupp Wiertz (1888-1939) ; Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, 22. November 2003 – 15. Februar 2004 ; Heinrich-von-Kleist-Haus Berlin, April – Juni 2004 / [Hrsg. Museen der Stadt Aachen. Katalog: Adam C. Oellers ; Roland Rappmann. Unter Mitarb. von Uwe Eichholz und Anke Volkmer].

Jupp Wiertz, Plakat, 1918