Wie Bilder Wahlkampf machen

Nationalratswahlkampf 2013: „Saubere Umwelt. Saubere Politik. Gemeinsam schaffen wir das.“ Plakat mit der damaligen Spitzenkandidatin der „Grünen“ Eva Glawischnig (Foto: B. Denscher)

Bilder beherrschen unsere Welt und sie dominieren in weiten Teilen die Politik und deren Werbestrategie: „Politische Kommunikation ohne Bilder ist nicht vorstellbar. Das gilt in besonderem Maße für Wahlkämpfe. In den Wochen vor einer Wahl verändert sich das Erscheinungsbild des öffentlichen Raumes durch Plakate und Dreieckständer.“ Derart erfreulich direkt kommen die beiden Politologinnen Petra Bernhardt und Karin Liebhart am Beginn ihrer jüngst erschienenen Publikation „Wie Bilder Wahlkampf machen“ zum Thema. Die Arbeit baut auf dem Forschungsprojekt „The Austrian Presidential Elections 2016: A Case Study in Visual Political Storytelling (2017–2019)“ auf. Die österreichischen Präsidentschaftswahlen des Jahres 2016 bilden auch einen Schwerpunkt des nun vorliegenden Buches, außerdem werden die Propagandastrategien für die Nationalratswahlen 2017 und 2019 sowie für die Europaratswahlen 2019 in die Analyse miteinbezogen. Social Media und das altbewährte Medium Plakat bieten dabei die Hauptquellen der präzisen und damit aufschlussreichen Analysen.

In den Kapiteln „Warum Wahlkämpfe Bilder brauchen“, „Wie sich Politik präsentiert: Visuelle Selbstinszenierung und Image Management“, „Vernetzte Kampagnen: Plakate, Postings, Wahlkampftouren“ und „Mit Bildern Geschichten erzählen: Visuelles Storytelling im Wahlkampf“ wird auf die verschiedenen Themenstellungen eingegangen, um schließlich zu dem oft heiklen und mitunter auch amüsanten Thema „Reaktionen auf Wahlkampfbilder“ zu kommen. Die Autorinnen führen in ihrem Buch auf die Wege und Irrwege, auf die Hochschaubahn (teilweise auch Geisterbahn) österreichischer Innenpolitik der letzten Jahre. So ruft das Buch das gesamte von Kreativitätsarmut gezeichnete Szenario einfallsloser österreichischer Wahlstrategien in Erinnerung – „geheime Verführer“ sehen wohl anders aus. Es wird viel gewandert in österreichischen Wahlkämpfen und es werden noch mehr Hände geschüttelt – und meistens beides. Ein „schöpferischer Höhepunkt“ des politischen Geschehens waren dabei immerhin noch die weithin medial verarbeiteten Wandertage mit Spitzenpolitikern, deren Originalität sich jedoch insofern relativiert, als sie fatal an die traditionellen alpinen Fantreffen volkstümlicher Schlagersänger erinnern.

Die Autorinnen beenden ihre Ausführungen mit einem Ausblick auf die Frage „Macht der Wahlkampfbilder?“ und kommen zu dem berechtigten Schluss: „Ein gänzlich innovativer Umgang mit Bildmaterial stellt nicht die Regel, sondern die Ausnahme visueller politischer Kommunikation dar. Ein Blick auf die visuellen Traditionslinien politischer Kommunikation scheint daher ebenso notwendig wie sinnvoll. Denn oft sind es die langfristigen Entwicklungen, die auf vermeintlich neue Fragen plausible Antworten liefern.“

Es ist dies ein wichtiger Appell, denn bei der Analyse politischer Bildstrategien ist seitens der Politik- und Medienwissenschaft eine mitunter erstaunliche Ahistorizität zu beobachten – basierend auf einer allgemeinen menschlichen Eigenschaft, dass man gegenwärtige Erlebnisse oft als solitär zu betrachten geneigt ist. So zitieren Bernhardt und Liebhart die Arbeit „Visuelle Wahlkampfkommunikation“ von Marion G. Müller und Thomas Knieper, die „bereits 2004, also lange vor Beginn des Social-Media-Zeitalters im Wahlkampf“ feststellten, dass Politikvermittlung „kaum mehr logozentriert, sondern primär ikonozentriert“ wäre und sich Wahlkämpfe „zunehmend zu bildliefernden Events und damit zu visuellen Erlebniswelten“ gewandelt hätten. Dazu ist allerdings anzumerken, dass es etwa in den USA bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts illustrierte Plakate bei Präsidentschaftswahlen gab, Charles Dickens schon 1836 in seinem Roman „The Pickwick Papers“ ironisch darlegte, wie sich ein Kandidat im Wahlkampf bildwirksam mit Kindern präsentierte, und die „Neue Freie Presse“ anlässlich des ersten Wahlkampfes der jungen österreichischen Republik im Jahr 1919 konstatierte: „Das illustrierte Wahlplakat gibt der Wahlwoche seine Signatur. Der Text ist nur Zugabe zur Zeichnung. Das Bild dominiert, strebt die alleinige Wirkung an. Es rechnet mit der psychologischen Tatsache, daß das Kino dem Theater den Vorrang abgewonnen hat. Darum der Wettkampf der Plakatzeichner, wer den kürzesten Kommentar beansprucht und den wortkargsten“. (15.2.1919)

Seit über 100 Jahren also wird die politische Propaganda von optischer Beeinflussung dominiert – sowohl in demokratischen als auch in autoritären Regierungsformen. Was im Internetzeitalter hinzukam, ist in Wahrheit eine Entwertung der einzelnen Bilder durch den inflationären Einsatz von Visualisierungen. Bei einer solchen optischen Konkurrenz ist es schwer vorstellbar, dass ein Bild noch eine derartig nachhaltige Wirkung entfalten könnte, wie es etwa – um nur ein prägnantes Beispiel zu nennen – das Karl Marx-Porträt von John Mayall tat.

Bernhardt, Petra – Karin Liebhart: Wie Bilder Wahlkampf machen, Wien 2020.