Propaganda trifft Grabenkrieg

Ausschnitt aus dem Buchcover unter Verwendung eines Plakates von Hans Rudi Erdt aus dem Jahr 1916

„Noch ein Buch über den Ersten Weltkrieg – und dies noch dazu mit Verspätung“, ist man versucht zu sagen. Dennoch ist es empfehlenswert, sich den Band „Propaganda trifft Grabenkrieg. Plakatkunst um 1915“ genauer anzusehen, da er sich innerhalb der Flut der bis dato erschienenen Weltkriegsliteratur durch eine bemerkenswerte Qualität auszeichnet. Die Publikation ist als Begleitbuch zu einer Ausstellung im „LWL-Museum für Kunst und Kultur“ in Münster entstanden, kann jedoch unabhängig davon für sich alleine bestehen. Denn der Band besticht durch kompetente Texte, gut ausgewählte Illustrationen und besonders durch die Thematisierung der Frage, inwieweit der reale Terror des Krieges in musealen und bibliothekarischen Artefakten der Zeit darstellbar ist.

Intensiv beschäftigt sich mit dieser Frage unter anderen Reinhard Feldmann in seinem Beitrag „Krieg sammeln“. Darin weist er besonders auf den Umstand hin, dass manche Bibliotheken Gebrauchsgrafik als unbedeutend und vernachlässigenswert betrachteten: „Man sammelte in guter, alter Tradition Bücher und Zeitschriften. Printed ephemera, darunter auch Gebrauchsgrafik, gehörten nach dem Eigenverständnis vieler Bibliotheken nicht zu den genuinen Sammelaufgaben. Aber genau dieses Material, Alltagsmaterial oder künstlerische Gestaltungen des Alltagsgeschehens, vermag unseren Blick zu weiten und die Realität sowie die Wahrnehmung der Realität zu dokumentieren.“

Darüber hinaus trägt der Kurator der seinerzeitigen gleichnamigen Ausstellung und Mitredakteur des Begleitbuches Jürgen Krause einige treffende „Stichworte zum Bildwandel auf deutschen und alliierten Kriegsplakaten um 1915“ bei. Martin Zangl liefert einen persönlichen Zugang zur der so bedrückenden wie aufschlussreichen Quelle der „Deutschen Verlustlisten des Ersten Weltkrieges“. Wertvoll ist in diesem Beitrag besonders der Hinweis, dass es seit 2014 unter http://www.verlustlisten.de einen Online-Zugang zu diesem für die Geschichte des Ersten Weltkriegs überaus aufschlussreichen Material gibt.

Unter dem Titel „Metallene Propaganda“ hat Stefan Klotz einen Beitrag über die Medaillen des Ersten Weltkriegs und die Ikonographie dieses gerade für Kriegszeiten so aufschlussreichen Materials beigesteuert: „Medaillen – und von Anfang an nicht davon zu trennen: viereckige Plaketten – bildeten seit jeher ein geeignetes Medium zur Kommentierung historischen und zeitgenössischen Geschehens.“

Gerd Dethlefs liefert unter dem Titel „Kämpfe an der ‚Meinungsfront‘. Karikaturen als Propagandaträger im Ersten Weltkrieg“ eine detailreiche Analyse der Bildsatiren der verschiedenen Weltkriegsmächte, um damit zum Schluss zu kommen: „Wie sehr sich staatlich geschürter Hass schließlich verselbständigte und auch die Nachkriegszeit noch bestimmte, welche langfristigen Folgen die solcherart eingewurzelten Feindbilder hatten, lehrt die weitere Geschichte des 20. Jahrhunderts.“ Dethlefs bietet damit eine treffende Analyse, die über die weitere politische Entwicklung der 1920er bis 1930er Jahre bis hin zum Zweiten Weltkrieg weist und zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit der genannten Themenstellung anregt.

Arnold, Hermann – Beate Tröger – Reinhard Feldmann (Hrsg.): Propaganda trifft Grabenkrieg. Plakatkunst um 1915, Köln 2015.