Josef Maria Auchentaller (1865–1949)

Josef Maria Auchentaller, Detail aus einem Plakat für eine Lotterie, 1900

„Da ist namentlich ein Placat, das Schule machen wird, wegen der lockenden Grazie in der Haltung der rothen Dame, die es schmückt. Schlank zum Abbrechen in der Mitte, drückt sie die Brust heraus, den Leib hinein und streckt die modisch dünnen Arme weit auseinander, biegt den rothblonden Kopf zurück, als gelte es, einem geliebten Freunde den Willkommensgruß zu bieten. Die Schöne im rothen Kleide hält aber nur Haarfärbemittel für die Greise im Hintergrunde in ihren ausgestreckten Händen.“ Diese ausführliche Beschreibung eines Plakates findet sich in dem Artikel „Mode und Placate“, erschienen am 9. April 1898 in der „Neuen Freien Presse“. Der Schöpfer der Affiche wird als „ein wahrer Künstler“ bezeichnet, denn er habe „die moderne Pose in diesem Bilde fixirt“ und so manche Frau werde diese Pose übernehmen, „ohne vielleicht zu ahnen, daß sie unter dem Eindrucke eines gut gezeichneten Placates steht.“ Bei dem derart Gelobten handelt es sich um den am 2. August 1865 in Wien-Penzing geborenen Josef Maria Auchentaller.

Josef Maria Auchentaller – Links: Titelblatt der Zeitschrift „Jugend“, 1896 / Rechts: Plakat, 1898

Seine Ausbildung erhielt Auchentaller zunächst an der Wiener Technischen Hochschule, dann an den Kunstakademien in Wien und München. Der vielseitige Künstler schuf Gemälde, Grafiken, Interieurs und Schmuck, und er war bald auch als angewandter Grafiker sehr gefragt. Bereits 1896, also im ersten Erscheinungsjahr der Münchner Zeitschrift „Jugend“ (woher der gleichnamige Stil seinen Namen hat) gestaltete Auchentaller ein Titelblatt für das einflussreiche Magazin. Es folgten ab 1898 einige Plakataufträge aus dem Bereich der Wirtschaftswerbung, wie zum Beispiel für Fahrräder, Autoreifen, Malzkaffee, eine Lotterie oder auch für die Wiener „Internationale Fischerei-Ausstellung“ im Jahr 1902.

Plakate von Josef Maria Auchentaller (Links: 1902 / Rechts: ca 1900)

1899 wurde Auchentaller Mitglied der Wiener Secession und arbeitete engagiert in der Künstlervereinigung mit, unter anderem als Entwerfer des Plakats und des Katalogs für die 7. Ausstellung (1900) sowie als Mitglied des Redaktionskomitees der Zeitschrift „Ver sacrum“. Im Jahr 1901 war ein ganzes Heft den Arbeiten von Auchentaller gewidmet, der darin Illustrationen, aber auch Entwürfe von Stoffen und Schmuckstücken präsentieren konnte.

Josef Maria Auchentaller – Links: Titelblatt von „Ver sacrum“ unter Verwendung des Motivs vom Plakat für die 7. Ausstellung der Secession, 1900 / Rechts: Titelblatt von „Ver sacrum“, 1901

Für die 14. Ausstellung der Secession im Jahr 1902, die der Auseinandersetzung mit dem Schaffen Ludwig van Beethovens gewidmet war, gestaltete nicht nur Gustav Klimt einen Beethoven-Fries, sondern auch Josef Maria Auchentaller sorgte für eine Wandgestaltung zum Thema „Freude, schöner Götterfunke!“. Gerade diese Arbeit Auchentallers, die sein Hauptwerk werden sollte, ist nicht nur nicht erhalten geblieben, sondern bescherte dem Künstler auch ernste wirtschaftliche Probleme. Angesichts dieser Situation ergriff seine Frau Emma die Initiative, ließ ein Hotel in Grado an der damaligen österreichischen Riviera errichten und wurde damit zu einer Pionierin des oberadriatischen Fremdenverkehrs. Die Familie Auchentaller übersiedelte nach Grado, was ihr eine dauerhafte ökonomische Grundlage sicherte, den Künstler jedoch nicht nur geografisch, sondern auch karrieremäßig zu einer Randerscheinung werden ließ.

Josef Maria Auchentaller, Plakat, 1906

In dieser Zeit gelang Auchentaller allerdings auch sein bis heute populär gebliebenes Grado-Plakat aus dem Jahr 1906, das zu einer häufig publizierten Ikone der frühen Tourismuswerbung wurde.

Am 31. Dezember 1949 verstarb Josef Maria Auchentaller – von Österreich und der Kunstwelt nahezu vergessen – in Grado. Erst in den letzten Jahren wurden sein Leben und Werk wiederentdeckt, so etwa durch eine repräsentative, in Gorizia, Bozen und dann im Wiener Leopold Museum gezeigte Ausstellung (2008/2009) oder auch den von Auchentallers Biografie inspirierten Roman „Das Geisterschiff“ (2013) von Egyd Gstättner.

Literatur
Festi, Roberto (Hrsg): Josef Maria Auchentaller (1865–1949). Ein Künstler der Wiener Secession. Un secessionista ai confini dell’Impero, Trento 2008.