Als der Rezensent der „Wiener Zeitung“ im Juni 1919 über die 54. Ausstellung der Wiener Secession berichtete, erwähnte er neben Georg Merkel, Oskar Laske und anderen auch die Skulpturen „der sehr merkwürdigen Hilde Exner“ mit dem Hinweis, dass deren Arbeiten „Anspruch auf genauere Betrachtung“ hätten.[1] Die Charakterisierung „sehr merkwürdig“ scheint hier durchaus doppelte Bedeutung zu haben: Der Kritiker meinte wohl, dass man sich Exner merken müsse, aber auch, dass ihre Arbeiten seltsam seien – expressiv, versonnen, an Wilhelm Lehmbruck und George Minne erinnernd.
Hilde Exner wurde am 10. Januar 1880 in Wien geboren. Ihre Eltern entstammten einem prosperierenden bürgerlichen Akademikermilieu, das eine Reihe von Universitätsprofessoren hervorbrachte. Ihr Vater Franz Serafin Exner war ein bekannter Physiker, der in den Jahren 1908 und 1909 auch als Rektor der Universität Wien wirkte.
Die künstlerisch begabte Hilde Exner studierte von 1901 bis 1905 an der Kunstgewerbeschule in Wien bei Alfred Roller und Kolo Moser. Die Anerkennung, die ihr künstlerisches Talent hier sehr bald fand, drückte sich auch darin aus, dass der jungen Studentin vonseiten der Professoren prominente Publikationsmöglichkeiten geboten wurden. Bereits im ersten Heft des in Teilen veröffentlichten Vorlagenwerks „Die Fläche“ war Exner mit einem Monogramm-Entwurf vertreten.
Es folgten größere Arbeiten in der „Fläche“, wie etwa ein äußerst modernes, schablonisiertes Wienplakat, Grafiken und attraktive Bilderbuchillustrationen.[2] Für „Ver sacrum“, die Zeitschrift der Wiener Secessionisten, gestaltete Hilde Exner gemeinsam mit ihrer ein Jahr älteren Cousine Nora Exner[3] (später: von Zumbusch) und Franz Fiebinger ein Tierbilderbuch.[4]
Noch während ihres Studiums beteiligte sich Hilde Exner an der großen internationalen Wissenschafts-, Gewerbe- und Kunstausstellung „Detski Mir“ („Die Kinderwelt“), die 1903/04 in Sankt Petersburg stattfand[5] und bei der Österreich insgesamt und auch Exner sehr gut abschnitten: Während etwa Josef Hoffmann und Kolo Moser Goldmedaillen erhielten, wurde Exner für ihre in der Ausstellung präsentierten Keramiken und Holzschnitte mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.[6]
Ihre gestalterische Vielseitigkeit bewies Hilde Exner in der legendären Wiener „Kunstschau 1908“, bei der sie mit einem Plakatentwurf, Keramiken und Marmorskulpturen, Halsketten für Kinder und einem Grabmal vertreten war.[7] Ein Jahr später, 1909, stellte sie mit der um Egon Schiele gebildeten „Neukunstgruppe“ im „Kunstsalon Pisko“ in Wien einige Radierungen aus, was auch ihre Hinwendung zum Expressionismus dokumentiert.[8] Trotz der positiven Reaktionen für ihre grafischen Arbeiten wandte sich Hilde Exner jedoch bald vollständig der Plastik zu und absolvierte weitere Studien in Rom sowie im Jahr 1910 bei Aristide Maillol in Paris. Eine Zielgruppe ihrer künstlerischen Arbeit blieben weiterhin Kinder, wie eine Reihe von hölzernen Spielzeugtieren oder ein 14 Meter langer „farbiger biblischer Fries“, der zu Weihnachten 1911 im Rahmen einer Kinderbuchausstellung in der „Hellerschen Buchhandlung“ in Wien zu besichtigen war, beweisen.[9]
Im Ersten Weltkrieg war Exner, so wie auch ihre Cousine Nora, als Krankenpflegerin des Roten Kreuzes tätig und zog sich dabei eine Infektion zu, die ihre spätere Todesursache war. Nach dem Krieg übersiedelte Exner, wie auch ihre Künstlerfreundinnen Emma Schlangenhausen, Maria Cyrenius und Helene von Taussig, ins Bundesland Salzburg, wo ihre Familie in St. Gilgen[10] ein Haus besaß[11]. Für das 1920 errichtete Kriegerdenkmal auf dem Friedhof Morzg in der Stadt Salzburg schuf Hilde Exner eine Davidfigur. Diese ist die erste größere von einer Künstlerin gestaltete Skulptur im öffentlichen Raum in Salzburg und befindet sich heute gleich beim Eingang zum Friedhof.
Hilde Exner starb am 23. April 1922 in Wien und wurde auf dem Sieveringer Friedhof bestattet.[12]
[1] Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung, 4.6.1919, S. 4.
[2] Die Fläche, Wien 1903.
[3] Immer wieder fälschlich als Hildes Schwester bezeichnet, z. B.: Künstlerlexikon „Vollmer“; Badura-Triska, Eva: Exner, in: Wien um 1900. Kunst und Kultur, Wien 1985, S. 502; Korotin, Ilse (Hrsg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Wien 2016, 1. Bd, S. 765.
[4] Ver sacrum, 1903/4, 15.2.1903, S. 71–94.
[5] Siehe: Österreich auf der Internationalen Wissenschaftlichen und Gewerblichen Ausstellung „Die Kinderwelt“ in St. Petersburg, 1903/1904. Bericht der Österr. Kommission, Wien 1904.
[6] Neues Wiener Tagblatt, 13.5.1904, S. 6.
[7] Katalog der Kunstschau 1908, Wien 1908.
[8] Die Zeit, 1.12.1909, S. 2; Arbeiter-Zeitung, 7.12.1909, S. 8.
[9] Neue Freie Presse, 24.12.1911, S, 21.
[10] Im Katalog zur „LIV. Ausstellung der Wiener Secession – II. Teil. Künstlerbund Hagen Freie Vereinigung als Gäste“ (Wien 1919) gab Exner als Wohnort St. Gilgen an.
[11] Frisch, Karl von: Fünf Häuser am See. Der Brunnwinkl. Werden und Wesen eines Sommersitzes, Berlin – Heidelberg – New York 1980, S. 56, S. 64f.
[12] Frisch, Ernst von: In memoriam Hilde Exner; gesprochen bei der schlichten Totenfeier am Kriegerdenkmal zu Morzg, am 30. April 1922.